Dr. Sylvia Volz — freiberufliche Beraterin, Redakteurin, Kuratorin und Coach
Wie war Dein Werdegang bisher?
Ich habe Kunstgeschichte und Archäologie in Heidelberg und Köln studiert, und nach meinem Magisterexamen zusätzlich ein Aufbaustudium in BWL an der FernUniversität Hagen absolviert. Erste berufliche Erfahrungen sammelte ich im Auktionshaus Christie’s und in einer Galerie für zeitgenössische Kunst, bevor ich mich einige Jahre später als Kunstberaterin und Redakteurin selbständig machte. Daneben promovierte ich im Fach Kunstgeschichte. Um mein Tätigkeitsfeld zu erweitern, habe ich 2016 eine Ausbildung zum kinesiologischen Practitioner im Bereich Energy Psychology (EDxTM™, Energy Diagnostics and Treatment Methods) sowie mehrere Fortbildungen absolviert.
Wie lange bist Du schon in Deiner jetzigen Position? Wie bist Du dorthin gekommen?
Seit 2009 bin ich als selbständige Kunstberaterin tätig. Dieser Schritt ergab sich aus meinem Wunsch, freier arbeiten und neue Projekte mit unterschiedlichen Akteuren interdisziplinär konzipieren und umzusetzen zu können.
Was beinhaltet Dein aktueller Job?
Im Wesentlichen die Beratung von Kunstsammlern bei An- und Verkäufen sowie die Chefredaktion des BMW Art Guide by Independent Collectors, des ersten globalen Führers zu privaten, öffentlich zugänglichen Sammlungen zeitgenössischer Kunst. Darüber hinaus coache ich mithilfe kinesiologischer Methoden zum Thema Potentialentfaltung.
Welches musikalische/künstlerische Ereignis hat Dich nachhaltig geprägt?
Das sind in der Tat viele. Insbesondere Konzerte – querbeet durch (fast) alle Stile von klassisch bis elektronisch – sind für mich eine nie versiegende Inspirationsquelle. Was die bildende Kunst betrifft, so faszinieren mich v.a. Künstler, die ihre Arbeiten mit Performance kombinieren, mit der Wahrnehmung des Betrachters spielen und in den Raum mit einbeziehen – so z.B. Donna Huanca, deren Ausstellung ich 2016 in der Zabludowicz Collection gesehen habe. Doch auch Gemälde von Altmeistern können inspirierend sein!
Welche war die größte (berufliche) Hürde für Dich bisher?
Der Schritt, in die Selbständigkeit zu gehen sowie meine nebenberufliche Promotion.
Was hättest Du gerne schon am Anfang Deiner Karriere gewusst? Was würdest Du rückblickend anders machen?
Heute würde ich schneller auf den Zug der Digitalisierung aufspringen. Gerade zu Beginn meiner beruflichen Tätigkeit war ich noch sehr auf den „traditionellen“ Weg eines studierten Kunsthistorikers fokussiert, während mich heute vor allem die Möglichkeiten faszinieren, die sich jenseits der Grenzen einzelner Disziplinen ergeben. Doch letztlich sind dies Erfahrungswerte, an denen man wächst. Wichtig hierbei war für mich eine regelmäßige Reflexion: Ist dies der Ort, an dem ich bleiben möchte bzw. – wenn nicht (mehr) – wohin will ich?
Wer waren Deine Mentoren oder Vorbilder?
Einen Mentor hatte ich nie, hätte ich aber gerne gehabt. Was meine Vorbilder betrifft, so haben sich diese im Lauf der Zeit sehr geändert: Zu Beginn waren es v.a. Persönlichkeiten, die es in der Kunstwelt weit gebracht haben (Künstler, Sammler, Galeristen etc.). Heute fasse ich den Begriff „Vorbild“ wesentlich weiter und tendiere als Bezeichnung eher zu „Inspirationsquelle“: Menschen, die weit über den Tellerrand hinausschauen, visionär über Grenzen hinaus denken und arbeiten, nachhaltige Unternehmen gründen etc.
Welche Tools nutzt Du, um organisiert zu bleiben?
Für die Organisation meiner Projekte verwende ich Asana. Darüber hinaus hole ich mir wertvolle Tipps & Tools bei she-preneur, einer großartigen Plattform für selbständige Frauen und Gründerinnen.
Wie und wo tankst Du Kraft und Energie?
Kraft tanke ich im regelmäßigen Rückzug in die Natur, Musik, Bewegung und Meditation. Darüber hinaus versuche ich, mir alle 1–2 Jahre eine Auszeit von 4–6 Wochen einzurichten, die ich im Ausland verbringe.
Wie siehst Du die Position der Frauen in der Branche?
Dabei denke ich insbesondere an Künstlerinnen, die es im Vergleich zu ihren männlichen Kollegen – bis auf wenige Ausnahmen – immer noch sehr schwer haben, dasselbe Renommee zu erlangen. Hierfür ließen sich endlos Beispiele anführen.
Was war Dein erster Job? Inwiefern waren Deine früheren Jobs für Deine jetzige Position hilfreich?
Meinen beruflichen Start hatte ich beim Auktionshaus Christie’s, wo ich als stellvertretende Repräsentantin der Niederlassung Berlin tätig war. Rückblickend sehe ich, dass ich in meinen früheren Jobs überaus wertvolle Praxiserfahrung habe sammeln können, nachdem das zuvor absolvierte Studium doch sehr trocken und theorielastig ausgerichtet war. Ich durfte meinen Blick schärfen und unternehmerisches Denken lernen.
Welche Faktoren waren rückblickend entscheidend für Deinen Erfolg?
Die kontinuierliche Auseinandersetzung mit der gesamten Bandbreite an unterschiedlichsten Charakteren, die sich in der Kunstwelt finden.
Wie gehst Du mit Konflikten um?
Ich versuche möglichst, einen Konflikt zu abstrahieren, ihn nicht persönlich zu nehmen, sondern dissoziiert zu betrachten. Dies schafft Raum und in dieser Distanz sieht man vieles klarer – beispielsweise die Ursache, die den Konflikt ausgelöst hat. Der Grund hierfür liegt ja oftmals viel tiefer.
Warum hast Du beschlossen, Dein eigenes Unternehmen zu gründen / Dich selbständig zu machen?
Hierfür gab es zwei Gründe: zum einen der Wunsch, meine Dissertation, mit der ich direkt nach dem Magisterexamen begonnen hatte, abschließen zu können; zum anderen um frei zu sein für neue Projekte, Ideen, Richtungen, Fortbildungen, jenseits der Grenzen einer Galerie o.ä.
Was ist Dir bei der Auswahl von neuen Mitarbeitern/Mitarbeiterinnen wichtig?
Zuverlässigkeit, Mitdenken, Reflexions- und Kommunikationsfähigkeit, Teamgeist.
Worauf sollte Deiner Meinung nach in der Ausbildung mehr Gewicht gelegt werden?
Auf die Entwicklung und Festigung der eigenen Persönlichkeit und v.a. auf die Schärfung der eigenen Intuition. Wir alle neigen viel zu sehr zur Verkopfung.
Machen Frauen anders Karriere als Männer?
Frauen sind in der Regel noch immer sehr viel zurückhaltender, selbstkritischer und bremsen sich damit selbst aus.
Was bedeutet “Karriere” für Dich? Was willst Du erreichen?
Karriere beschreibt für mich ein Kontinuum, nämlich dass man an seinen Aufgaben und an sich selbst stetig wächst. Viel interessanter und inspirierender als ein Titel ist für mich der Charakter eines Menschen, seine Reflexionsfähigkeit, seine Kreativität und sein Umsetzungsvermögen. In diesem Sinne möchte ich weitergehen, indem ich Dinge neu verknüpfe und dadurch Mehrwert schaffe.
Wie triffst Du Entscheidungen?
Mehr und mehr nach meinem Bauchgefühl, auf das ich mich immer verlassen kann.
Sollte man versuchen, die eigene Karriere von Anfang an zu “planen”? Geht das überhaupt?
Ich denke, das ist eine sehr individuelle Entscheidung. Als ich nach dem Studium in die Berufswelt einstieg, war ich der festen Überzeugung, mein Platz wäre für immer und ewig in der Auktionswelt. Häuser wie Christie’s und Sotheby’s sind sehr große, international operierende Unternehmen, in denen man eine schier unendliche Anzahl an verschiedenen Stationen durchlaufen, und sich dabei immer weiter emporarbeiten kann. Nach einiger Zeit beschloss ich für mich jedoch, dass dies nur eine Station auf meinem Weg sein sollte, und es war an der Zeit weiterzuziehen. Ich empfinde es als großes Privileg (zugleich auch als immense Herausforderung) unserer Zeit, mit wachsender Erfahrung immer wieder von neuem zu hinterfragen, was zum aktuellen Lebens- und Wertemodell passt. Hierbei stets hilfreich: das Why nicht aus den Augen zu verlieren – Warum mache ich das?
Wie macht man am besten die richtigen Leute auf die eigenen Fähigkeiten aufmerksam?
Das ist eine sehr komplexe Frage, die auf verschiedenen Ebenen beantwortet werden kann. Als einen essenziellen Weg, die richtigen Leute auf die eigenen Fähigkeiten aufmerksam zu machen, empfinde ich das Netzwerken/Gespräch suchen.
Bist Du eher Teamarbeiter oder Einzelkämpfer?
Ich persönlich bin kein Freund des Begriffs „Einzelkämpfer“, da ich meine Arbeit nicht als „Kampf“ betrachte. Selbst im Rahmen von Soloprojekten gibt es immer Kooperationen, etwa mit Institutionen, Sammlern, Kollegen, Transporteuren o.ä. Genau das macht die Arbeit so schön und abwechslungsreich, und im Grunde ist dies zugleich die Antwort auf die Frage: Ich würde mich definitiv als Teamarbeiter bezeichnen.
Was macht Dir in deiner Arbeit Spaß, was eher nicht?
Ich liebe es, mit verschiedenen Leuten in Kontakt zu sein – dies war auch einer der Hauptgründe, warum es mich nach dem Studium in den Kunsthandel gezogen hatte. Fast nirgendwo ist die Dichte an unterschiedlichen Charakteren so groß wie dort. Diese Begegnungen finde ich nach wie vor faszinierend, insbesondere in der Zusammenarbeit. Kritisch finde ich die oftmals negativen Verhaltensmuster, die aus dem immer weiter steigenden Erfolgsdruck im Kunstmarkt resultieren.
Wie wichtig ist Networking? Betreibst Du das bewusst oder ergibt es sich eher von selbst?
Glücklicherweise ist mir die Fähigkeit zum Networken quasi in die Wiege gelegt worden, ist es doch wesentlicher Bestandteil meines Berufs.
Wie war es für Dich, als Du das erste Mal Chef von jemandem warst und anderen Leuten sagen konntest, was sie tun sollen?
Ich hatte großen Respekt vor der Verantwortung, die diese Position mit sich bringt, nämlich die Mitarbeiter zu fördern und individuell weiterzuentwickeln, mit ihren Stärken und Schwächen. Nicht zuletzt stellte auch das Delegieren von Aufgaben zunächst eine Herausforderung dar.
Welche Klischees über Frauen (und Männer) stimmen, und welche stimmen nicht?
Frauen neigen immer noch dazu, sich unter Wert zu verkaufen, während Männer oftmals ihre Fähigkeiten realistisch sehen oder sogar höher einschätzen. Darüber hinaus denke ich, ist durchaus etwas dran an dem Klischee, dass Frauen alles in allem etwas mehr multitasking-fähig sind, während Männer wiederum den „Tunnelblick“ beherrschen. Völlig überholt hingegen ist das Klischee, Frauen seien weniger belastbar.
Welchen Rat würdest Du Berufseinsteigern geben?
Sich nicht mit minutiös geplanten Karriereschritten unter Druck zu setzen, sondern diese viel eher als mögliche Optionen zu erachten – und einfach offen zu sein für das, was kommt.
Photo credit: Marcel Kloppenburg