Julia Kizhukandayil — Senior Project Manager Kulturelle Teilhabe Robert Bosch Stiftung
Wie war Dein Werdegang bisher?
Zunächst habe ich einige Jahre in unterschiedlichen Verlagen gearbeitet: Angefangen als Foreign Rights Manager bei Hachette Livre in Paris, wechselte ich beim Prestel Verlag in München ins Lektorat und später zum Corporate Publishing für die Museen. Fasziniert von Kunst, Galerien und Museen beschloss ich für 4 Monate nach Kapstadt zu gehen, um dort freiwillig im Marketing für das größte Museum, das „Iziko“ mitzuarbeiten. Darauf folgten Stationen in Abu Dhabi beim Kultusministerium und der Abu Dhabi International Buchmesse. Hier war ich zunächst als „Strategy Manager“ tätig und wechselte zum Project Manager für die Beratung internationaler Verleger. Danach beschloss ich, mich noch intensiver mit anderen Kunstsparten, namentlich der Musik und dem Theater zu beschäftigen, und wechselte zum Enjoy Jazz Festival nach Heidelberg, Mannheim und Ludwighafen und später zu „Matchbox- dem wandernden Kunst- und Kulturprojekt“ des Kulturbüros der Metropolregion Rhein-Neckar. Inzwischen arbeite ich als Senior Projektmanager im Bereich Gesellschaft im Team Kulturelle Teilhabe der Robert Bosch Stiftung.
Was bedeutet Karriere für Dich? Was willst Du erreichen?
Karriere bedeutet für mich die Freiheit, selbst gestalten zu dürfen, ohne dabei den Sinn zu verlieren, den man in seiner Arbeit sieht.
Was beinhaltet Dein aktueller Job?
In unserem Team der Kulturellen Teilhabe wollen wir Zugänge zu Kunst und Kultur für alle Kinder und Jugendliche von Beginn an ermöglichen. Dazu fördern wir Projekte im Bereich der Literaturvermittlung und frühkindlichen kulturellen Bildung.
Was war Deine erste berufliche Tätigkeit? Inwiefern waren Deine früheren Jobs für Deine jetzige Position hilfreich?
Als jemand, der bereits in verschiedenen künstlerischen Sparten, Ländern und mit Menschen unterschiedlicher Herkunft zusammengearbeitet hat, glaube ich, dass Kunst und Kultur in besonderer Weise geeignet ist, gesellschaftliche Teilhabe und Identifikation zu fördern. Ich bin davon überzeugt, dass ästhetische Erfahrungen ein Schlüssel sind, um Wirklichkeit aus neuen Blickwinkeln zu betrachten. Sie ermöglichen das Erkennen von Selbstwirksamkeit, eröffnen alternative Wege, erweitern Handlungsspielräume und Reflexion über eigene Standpunkte und sind deswegen essentiell, um gesellschaftliche Prozesse verstehen, und mitgestalten zu können. Gerade in der aktuellen Situation, die geprägt ist von Hass, Egoismus, Unverständnis für andere Denk- und Lebenswelten, eröffnen künstlerische Ausdrucksformen einen „dritten Raum“, in dem sich Menschen neu – oder zumindest ganz anders – begegnen können. Dass Kunst und Kultur diese Potentiale in sich tragen, habe ich in jedem Konzert, in jeder Ausstellung und in jedem lektorierten Buch zuvor erfahren dürfen.
Welches musikalische/künstlerische Ereignis hat Dich nachhaltig geprägt?
Immer das eigene Musizieren mit Freunden und viel Wein.
Welche war die größte (berufliche) Hürde für Dich bisher?
Immer die, in der man gerade steckt – das macht es ja so aufregend.
Was hättest Du gerne schon am Anfang Deiner Karriere gewusst? Was würdest Du rückblickend anders machen?
Ich würde nichts anders machen, weil ich bisher immer das gemacht habe, was sich in einem bestimmten Moment richtig angefühlt hat. Übrigens auch wenn es das Gefühl war, dass es Zeit ist zu gehen.
Wer waren Deine Mentoren oder Vorbilder?
Nelson Mandela!
Welche Bücher sind Inspiration für Dich?
Nachdem ich nun lange über diese Frage nachgedacht habe, glaube ich, dass ich Bücher noch nie gelesen habe, um inspiriert zu werden. Ich liebe den Prozess des Lesens, weil es für mich ein intensiver Austausch mit anderen Lebenswelten ist. Und dann stellt sich die Frage, welchem Autor ich soweit vertraue, dass ich mich gerne auf die von ihm kreierten Gedankenwelten einlassen möchte. Da fällt mir als erstes Juli Zeh ein.
Wie bleibst Du in Deinem beruflichen Umfeld informiert?
Lesen von Newslettern und Fachzeitschriften und das Schönste: Kulturveranstaltungen besuchen!
Welche Tools nutzt Du, um organisiert zu bleiben?
Meinen Kopf, mein Notizbuch und mein Outlook.
Wie und wo tankst Du Kraft und Energie?
Auf dem Sofa mit einem Buch und dem Hund. Mit meinem Mann in einem Konzert und mit meiner Tochter im Zoo.
Wie triffst Du Entscheidungen?
Das kommt sicher auf die zu treffenden Entscheidungen an, aber grundsätzlich im Austausch mit Menschen, von denen ich glaube, sie eröffnen mir unterschiedliche Perspektiven und dann treffe ich eine einsame Entscheidung, hinter der ich stehen kann.
Zukunftsvision: Wie siehst Du die Entwicklung in Deiner Branche?
Aus Sicht der Robert Bosch Stiftung ist es uns ein großes Anliegen, dass Kultureinrichtungen, unabhängig von ihrer Branche, ihre Rolle in einer sich wandelnden Gesellschaft neu definieren: Dazu gehört, dass sie Spiegel von Vielfalt werden müssen und nicht nur ihr Marketing, sondern auch ihr Programm neuen Zielgruppen gegenüber öffnen sollen. Damit einher geht ein Strukturwandel in den Institutionen. So sollte z.B. der aktuell niedrigere Stellenwert der „Vermittlungsarbeit“ überdacht und viel stärker in den Blick genommen werden.
Welche Faktoren waren rückblickend entscheidend für Deinen Erfolg?
Die Tatsache, dass ich immer das getan habe, was ich liebe: Ich kann nichts anderes tun als Kultur.
Wie gehst Du mit Konflikten um? Welchen Rat möchtest Du zur Lösung von Konflikten weitergeben?
Konflikte entstehen durch Reibung. Solange es Reibung gibt, sind die Dinge noch nicht „zurechtgerückt“. Das kann manchmal sehr schmerzhaft sein. Ich bin kein Stratege oder Taktiker, mir geht es nur um die Kunst: Personen, Positionen, Etikette, (eigene) Eitelkeiten müssen ausgeblendet werden, um für eine bestimmte Situation die bestmögliche Entscheidung zu treffen.
Worauf sollte Deiner Meinung nach in der Ausbildung mehr Gewicht gelegt werden?
Was wir brauchen sind keine perfekten Projektmanager – wir brauchen (wieder) Kulturmenschen, die sich „einfach so“ einmal mit „Der Mann ohne Eigenschaften“ beschäftigt haben oder die Stella Hamberg zeigen, weil sie auf ihr Bauchgefühl vertrauen können.
Wie siehst Du die Position der Frauen in der Branche?
Gegenfrage: Warum teilen sich nur 30 Prozent der Männer in Führungsjobs die Hausarbeit und Erziehung mit ihrer Partnerin paritätisch? Warum gelingt das 50 Prozent der führenden Frauen? Oder anders: Sei doch einmal Festivalleiterin mit zwei kleinen Kindern!
Photo credit: Julia Kizhukandayil