Music | herARTS https://her-arts.de Das Netzwerk für Frauen in der Kulturbranche Tue, 23 Mar 2021 20:52:11 +0000 de-DE hourly 1 https://wordpress.org/?v=5.7.11 Ninja Anderlohr-Hepp https://her-arts.de/2021/02/23/ninja-anderlohr-hepp/ https://her-arts.de/2021/02/23/ninja-anderlohr-hepp/#respond Tue, 23 Feb 2021 13:21:57 +0000 https://her-arts.de/?p=685 Video-Interview mit Ninja Anderlohr-Hepp, Redaktionsleiterin von concerti, dem auflagenstärkste Klassik-Magazin Deutschlands — Ninja sprach mit uns über ihren Berufsweg der Klassikbranche.    

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Video-Interview mit Ninja Anderlohr-Hepp, Redaktionsleiterin von concerti, dem auflagenstärkste Klassik-Magazin Deutschlands — Ninja sprach mit uns über ihren Berufsweg der Klassikbranche.

 

 

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This is a man’s world: Warum die Musikindustrie mehr Frauen in Entscheiderpositionen braucht https://her-arts.de/2019/12/03/this-is-a-manss-world-warum-die-musikindustrie-mehr-frauen-in-entscheiderpositionen-braucht/ https://her-arts.de/2019/12/03/this-is-a-manss-world-warum-die-musikindustrie-mehr-frauen-in-entscheiderpositionen-braucht/#respond Tue, 03 Dec 2019 15:11:54 +0000 https://her-arts.de/?p=233 Lina Burghausen - Musikpromoterin, Bloggerin, Autorin und DJ

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Lina Burghausen —  Musikpromoterin, Bloggerin, Autorin und DJ

 

Die Diskussion um den zu geringen Frauenanteil auf Festival- und Konzertbühnen sowie in den Charts ist im Mainstream angekommen. Die Zeit, Deutschlandfunk, der Bayrische Rundfunk, der Stern – kaum ein großes Medium hat das Thema in den vergangenen beiden Jahren nicht aufgegriffen, und längst sind es nicht mehr (nur) weibliche Autorinnen, die eine Frauenquote für Festival-Bookings und Radiorotationen fordern.

Die Gründe für eine Quote liegen auf der Hand: Geht man davon aus, dass fast jeder Mensch Musik hört, sind ca. 50 Prozent des Publikums weiblich. Warum wirkt die Musikindustrie dann wie ein Herrenclub, in dem weibliche Gesichter auf der Bühne die Ausnahme sind? Auch das Publikum vieler Popmusikfestivals ist stark männlich geprägt, gerade in Genrenischen wie Metal, Punk oder HipHop. Nicht viel anders sieht es in den Musikmedien aus. Ob Musikzeitschrift oder Blog; die gesamte Aufmachung, die Werbepartner, aber auch die Art und Weise, wie über Musikerinnen berichtet wird, zeigen: Der Normalfall ist der männliche Musikfan, der seine männlichen Lieblingsbands und ‑künstler verfolgt. Eine ganze Industrie scheint weibliche Artists wie Hörerinnen zu vergessen. Weshalb ändert sich daran seit vielen Jahren kaum etwas?
Dafür gibt es viele Erklärungen − eine skurriler als die andere: Angeblich interessieren sich Frauen einfach nicht so sehr für das Musizieren wie ihre männlichen Kollegen, scheuen das große Rampenlicht oder strengen sich nicht genug an.

 

Häufig hört man von Bookern: Man würde ja mehr Frauen buchen, aber es gäbe einfach keine.

 

Doch ist es wirklich so? Ein Blick in die Statistiken verrät: Die Musikhochschulen werden zu 54 Prozent von jungen Frauen besucht. Eine grundsätzliche Musikaffinität sowie entsprechendes Talent lassen sich dem weiblichen Geschlecht also wohl kaum absprechen. Dazu gibt es inzwischen ganze Festivals, die überwiegend weiblich kuratiert sind und ein sehr abwechslungsreiches, genreübergreifendes Programm aufweisen. Das Frauenfestival Leipzig sei hier nur als ein Beispiel genannt. Initiativen wie Female:Pressure, das DJ-Booking-Netzwerk dieda oder die Reihe „Die Frau in der Musik“ des laut.de-Redakteurs Sven Kabelitz zeigen: Musikerinnen gibt es mehr als genug. Nur wirkt sich diese Tatsache kaum auf die Lineups großer Festivals, in den Charts und auf Preisverleihungen aus.

Bleibt also der Blick hinter die Kulissen, zu den Entscheidern in der Musikindustrie. Auch in den Studiengängen, die auf eine Arbeit in Musikwirtschaft oder ‑journalismus vorbereiten, sitzen viele Frauen. In Großbritannien sind laut einer Umfrage von UK Music sogar 59 Prozent der Berufseinsteiger im Musikbusiness weiblich. In der Berufspraxis scheint der ambitionierte weibliche Branchennachwuchs – auch in Deutschland –  dann jedoch an einer gläsernen Decke zu scheitern:

 

„Frauen kommen zwar zunehmend im Musikbusiness an. Doch die meisten davon arbeiten noch immer in Frauen-typischen Berufen: Sie machen PR, organisieren Meetings, sind Assistentinnen — sind also für Öffentlichkeitsarbeit oder das Umsetzen von Beschlüssen zuständig. Die Entscheider-Positionen besetzen immer noch mehr Männer“, heißt es in der Süddeutschen Zeitung.

 

Ein Blick in die Geschäftsführungen der 15 umsatzstärksten Musikfirmen 2018 unterstützt diese These. Kein einziges Unternehmen – weder Major- noch Independent-Label oder Vertrieb – wird in Deutschland von einer Frau geleitet. In Zahlen: Null. Und auch die Management-Teams sind, bis auf drei Ausnahmen (Sony Music, Warner Music und Groove Attack), ausschließlich männlich besetzt.

Dieser Trend setzt sich in kleineren Unternehmen ebenso fort. Nur 7,4 Prozent der beim VUT gemeldeten Unternehmen werden von Frauen geführt, 5,5 Prozent von gemischten Teams. Im Musikjournalismus beträgt der Frauenanteil ebenfalls nur 20 Prozent. Nur eine einzige Kreativbranche wird noch mehr von Männern dominiert: Die Gamesbranche. Das zeigt, dass die weibliche Perspektive einfach fehlt, wenn es darum geht, die Musikwelten von morgen zu gestalten.

 

 „Jungs rufen nun einmal Jungs an.“

 

Das ist ein offenes Geheimnis. So werden neue Stellen oder Konzertslots oft auch unterbewusst mit anderen Männern besetzt. Auf diese Weise wird die Musiklandschaft zu einer von Männern für Männer gemachten Welt, in der für junge Frauen und Mädchen so wichtige, sichtbare weibliche Vorbilder fehlen. Die braucht es sowohl hinter als auch auf der Bühne. Denn es ist nicht nur die mangelnde Repräsentanz von nicht-männlichen Personen in der Musikindustrie – vielmehr geht ein beachtliches künstlerisches Potenzial verloren, wenn Frauen nicht die Möglichkeit bekommen, an Instrument, Mikrofon oder Reglern ebenso zu brillieren wie ihre männlichen Kollegen. Dasselbe gilt für die Strukturen innerhalb der Platten- und Liveindustrie, wo die Perspektiven von Frauen die Musikproduktion und ‑vermarktung diverser, ja aufregender machen könnten.

Doch auch in den Labels, Bookingagenturen und Vertrieben fehlen weibliche Vorbilder in Führungsetagen, vor allem solche, die sich nicht im Einzelkämpfermodus durch die männerdominierte Branche bewegen und die zeigen, dass ein Job in der Musikindustrie auch mit einem Familienleben vereinbar ist – so wie es für Männer seit Jahr und Tag selbstverständlich ist. Initiativen wie Music Industry Women und diverse Mentoringprogramme leisten hier wichtige Pionierarbeit und bringen uns Frauen direkt die wohl wichtigste Lektion bei: Den Weg nach oben geht man am besten gemeinsam – durch Vernetzung und gegenseitigem Support. Dann rufen Mädels vielleicht auch irgendwann einmal Mädels an.

 

 

 

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“Tradition ist ja nicht nur das Aushängeschild. Sie sollte innerhalb des Unternehmens gelebt werden.” https://her-arts.de/2019/05/14/ute-fesquet-vice-president-deutsche-grammophon/ https://her-arts.de/2019/05/14/ute-fesquet-vice-president-deutsche-grammophon/#respond Tue, 14 May 2019 10:27:20 +0000 https://her-arts.de/?p=148 Ute Fesquet - Vice President Deutsche Grammophon

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Ute Fesquet — ehemals Vice President, jetzt Senior Executive Producer & Management Consultant bei Deutsche Grammophon/Universal

 

 

Erzähl uns von Deinem beruflichen Werdegang…

Als sich meine Schulzeit dem Ende näherte, wusste ich eigentlich nur, was ich nicht wollte: In die Fußstapfen meiner Eltern, Großeltern und Urgroßeltern treten, die Lehrer, Kantore und Musiklehrer waren.  „Was willst du denn dann eigentlich?“, fragte ich mich. Fest stand: Ich wollte unbedingt etwas mit klassischer Musik zu tun haben. Ich komme aus einer Gegend, in der es nicht gerade ein Überangebot an klassischer Musik gab, aber ich habe alles, was es gab, aufgesogen wie ein Schwamm. Ich habe gesungen, seitdem ich denken kann, und Cello gespielt; für mich war das eine totale Mission, diese Begeisterung weiterzutragen. Ich konnte nicht verstehen, warum andere nicht ebenso fasziniert von dieser Musik sind. Zuerst hatte ich die Idee, Musikkritikerin zu werden. Das müsse doch ein toller Job sein, weil man einfach immer Konzerte besuchen kann. Außerdem schrieb ich sehr gerne, da könnte man zwei tolle Sachen miteinander verbinden. Bei einer Lokalzeitung wurde ich total ins kalte Wasser geschmissen und musste alles Mögliche machen. Eine Tageszeitungsredaktion ist ein ziemlicher Durchlauferhitzer. Du eignest dir etwas an und gibst das weiter, ohne das viel hängen bleibt, und dann bist du schon wieder beim nächsten Thema.

Dann habe ich dem Drängen meiner Eltern nachgegeben: Ich suchte mir Fächer aus, über die ich gerne mehr wissen wollte, habe Geschichte, Kunstgeschichte und Musikwissenschaft studiert und die Gelegenheit im Studium genutzt, das weiterzumachen, was ich schon gemacht habe, nämlich zu schreiben. Aber ich habe mich auch umgeguckt, welche Arbeitsbereiche sonst noch mit Musik zu tun haben, und festgestellt, dass es eine Riesen-Spielwiese ist. Ich war da natürlich als Studentin auch in Hamburg am richtigen Ort und konnte bei der Deutschen Grammophon anfangen. Dann war ich in Wien und habe bei Universal Edition wirklich noch in der Notenstecherei ein Praktikum gemacht; obwohl das alles schon Fotosatz war, hieß es noch so. Ich habe auch im Burgtheater in der Dramaturgie gearbeitet und einfach verschiedenste Möglichkeiten genutzt, meinen Horizont zu erweitern. Ich wusste ganz sicher, dass ich keine Kulturwissenschaftlerin sein will, die ihr Dasein in Bibliotheken fristet, und so habe ich schon während des Studiums die meiste Zeit nebenberuflich in Bereichen gearbeitet, die mit dem zusammenhängen, was ich heute noch tue.

Letzten Oktober hatte ich mein zwanzigjähriges Dienstjubiläum bei der Deutschen Grammophon. Das ist eine Reise mit vielen verschiedenen Stationen gewesen. Als ich neulich mit Kollegen auf mein Jubiläum angestoßen habe, wurde ich gefragt, woher das kommt, dass ich immer noch so für klassische Musik brenne. Ich hatte mein Leben lang eine starke emotionale Bindung dazu. Manchmal ist das auch ein Fluch, aber überwiegend ein Segen. Es ist heute geradezu anachronistisch, aber wiederum auch nicht untypisch, wenn man so früh wie ich in so einem Unternehmen arbeitet, wo eigentlich alles zusammenpasst – also die Werte, das Thema und mein Drang, irgendwie der Routine zu entfliehen. Wenn man es ein bisschen abstrahiert, zieht sich also ein roter Faden durch meinen Karriereweg. Ich hatte durch meine unterschiedlichen Tätigkeitsbereiche – Marketing, Künstlerbeziehung, Produkt, und dann die Königsdisziplin A&R (Artists & Repertoire) – immer eine universelle Perspektive, was ich toll fand. Man sagt ja immer, Musik sei eine globale Sprache, aber es ist interessant zu sehen, dass das Produkt dann eben doch nicht so global ist, wie man manchmal denkt. Natürlich sind unsere Künstler musikalisch überall unterwegs, aber das bedeutet nicht, dass in Japan das Gleiche gefragt ist wie in den USA.
Bei der Deutschen Grammophon entdecken wir Repertoire wieder und beleuchten es neu. Die Künstler, die wir unter Vertrag haben, sehe ich als Sonderbotschafter, die da draußen unterwegs sind, und die die Begeisterung für Musik mit anderen teilen. Egal, in welcher Generation Sie sind – ob Sie mit jungen Leuten in der Ausbildung arbeiten oder ob Sie selbst ganz jung sind und sagen, ich lasse alles andere sausen, ich habe mein Instrument und meine Berufung. Ich finde, das ist ganz toll!

 

Gab es auf Deinem Karriereweg Vorbilder oder Mentor*innen?

Ja, die gab es immer: Zunächst war da der Chefredakteur der Zeitung, bei der ich als werdende Musikkritikerin ein Praktikum gemacht hatte. Er sagte „So, jetzt setzen wir uns mal hin und unterhalten uns über Journalismus.“ Er hat gesehen, dass ich Talent habe zum Schreiben und vor allem ein Gespür für Geschichten, für Persönlichkeiten, für Begegnungen. Und er war sehr direkt, manchmal auch sehr herausfordernd, gab mir aber immer das Gefühl, dass ich aufpassen muss, dass ich meine Zeit nicht verschwende, nur weil jemand etwas von mir erwartet. Auch einige ältere Kolleginnen und Kollegen haben mir Wichtiges vorgelebt.
Aber die nächste wirklich prägende Person in meinem beruflichen Leben war Sabine Max, die Leiterin des deutschen Markts, als ich bei der Deutschen Grammophon angefangen habe. Vor ihr hatte ich einen Heidenrespekt. Sie war super „tough“, wie man sich Frauen in einer sehr männlich geprägten Branche vorstellt. Auf jeden Anruf mit ihr, um Ideen für unser Repertoire zu besprechen, habe ich mich akribisch vorbereitet. Und dann wählte ich ihre Nummer, und nach einem halben Satz war mein Papier überflüssig und sie hat mir die Geschäftswelt erklärt. Sie hat mir nicht alles um die Ohren gehauen, aber mir gesagt, welche Fragen ich mir stellen muss. Das war wirklich eine Herausforderung im konstruktiven Sinne. Jedes Mal habe ich etwas mitgenommen. Später wechselte sie zum Label und war da internationale Marketingchefin. Sie stellte mir dann Künstler vor und hat mich regelrecht gecoached. Dabei war sie überhaupt nicht zimperlich. Ich war manches Mal am Boden zerstört, weil etwas nicht funktioniert hatte oder mir jemand einen Stuhl vor die Tür stellen wollte. Ich glaube, sie schätzte diese Emotionalität und das Einfühlungsvermögen an mir, aber gleichzeitig vermittelte sie mir, dass ich mir einen Schutzmantel zulegen muss, wenn ich in der Branche überleben will.

Ihr Nachfolger als Präsident, Michael (Lang), hat mich auf ganz andere Weise sehr gefördert. Als Amerikaner hatte er eine für mich neue Herangehensweise. Er sagte in einem Personalgespräch zu mir „I consider you as managing material“. Das war überraschend, denn ich bin kein Machtmensch in dem Sinne, dass ich Macht für mein persönliches Fortkommen eingesetzt hätte. Mir geht es um die Sache, ich bin ein Überzeugungstäter. Ich kann jedoch zäh, hartnäckig und sehr beharrlich sein, wenn ich von etwas überzeugt bin, und möchte gestalten. Ich habe den Willen, meine Überzeugung mit anderen zu teilen und klarzumachen, warum sie mit mir gehen müssen. Ich mache das auf meine Art, und nicht mit der Faust auf dem Tisch. An meinem Job fasziniert mich, dass es keine Wiederholung gibt und die Arbeit geprägt ist von ständiger Innovation. Das war auch persönlich immer ein Antrieb. Was kommt als Nächstes? Ich habe bei der Deutschen Grammophon angefangen als Produktmanagerin, wo tolle Produkte entstehen. Allein in meinem Bekanntenkreis hatte ich jedoch das Gefühl, dass die meisten nichts davon mitkriegen. Deshalb wollte ich doch wieder stärker an die Stelle, wo solche Sachen vermittelt und weitergetragen werden – ins Marketing. Als ich dies mit meiner Chefin Sabine Max besprach, guckte sie mich an und sagte: „Ich hasse dich – und du hast vollkommen recht, du musst gehen! Das ist genau die Schnittstelle.“ Diesen Motor, der Wunsch, etwas und natürlich auch sich selbst zu verändern, hat später dann Michael erkannt und für neue Herausforderungen gesorgt.

Im Bereich A&R ging dann wirklich alles sehr schnell, sogar ein bisschen zu schnell. Nach eineinhalb Jahren dort fragte er mich, ob ich den Bereich leiten könnte, ob mir das Spaß machen würde. Der Wechsel vom Head of International Marketing zu A&R war rein hierarchisch ja ein Schritt zurück gewesen; aber ich hatte überhaupt kein Problem, ins Glied zurückzutreten, und fand es ganz gut, die politischen Dinge in so einem Konzern außen vor lassen zu können. Auf der neuen Stelle als Executive Producer war ich nun sozusagen Unternehmerin im Unternehmen. Da ist man recht autark. Für mich war diese neue Aufgabe, schließlich die Leitung der Künstler- und Repertoirebereiche zu übernehmen, großartig, unter anderem ein Team zusammenzubauen, und nach Berlin mit einem neuen Team zu wechseln – das hat großen Spaß gemacht.

 

Wie hast Du Deine erste Position als Chefin erlebt, das Anleiten von Mitarbeiter*innen und so weiter?

Das ist ein Prozess des Hineinwachsens und Lernens. Einige Kolleginnen und Kollegen waren schon viele Jahre dabei und dachten sicher: „Ich weiß, wie das geht, und jetzt setzen die mir jemanden vor, der aus dem Marketing kommt.“ Das war nicht so einfach, und damit muss man auch umgehen können. Ich war als Journalistin, Musikwissenschaftlerin und Produktmanagerin in dem Bereich erstmal „artfremd“; so etwas macht mir großen Spaß, mir neue Zusammenhänge zu erschließen. Das ist bis heute so. Auch im A&R geht es um Begegnungen, es geht darum, Konstellationen herzustellen, die funktionieren können. Wenn ich merke, dass Leute gut miteinander können und sich gegenseitig verstärken, ist das ein großes Glücksgefühl, und diese Motivation kam mir auch als Vorgesetzte zugute. Der Teamgedanke ist mir total wichtig – ich finde es toll, wenn Leute einen unterschiedlichen Erfahrungshorizont haben, verschiedene Interessen, auch verschiedene kulturelle Hintergründe. Personalführung, Personalentwicklung – das macht mir nach wie vor Spaß.
Lediglich die Frequenz, in der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wechseln, ist auf manchen Positionen problematisch. Da muss man dann aufpassen, dass man nicht auslaugt, wenn man ständig wieder bei null anfängt und die Konstante sein muss.

 

Woran liegen diese vielen Wechsel heutzutage?

Ich glaube, es gibt verschiedene Gründe. Zum einen hat sich die Einstellung zum Berufsleben grundlegend geändert. Erst vor einigen Tagen saß ich mit Kolleginnen zusammen, die schon länger im Amt sind. Eine von ihnen erzählte, sie gehe manchmal von ihrem Büro im sechsten Stock durch die Abteilung nach unten, und um halb sieben sei da kein Mensch mehr anzutreffen. Das heißt natürlich nicht, dass die Mitarbeiter dort nicht arbeiten, aber bei uns war das eher so, dass wir um sieben überlegt haben, was wir zum Abendessen organisieren. Und von dort aus ging es dann zu irgendwelchen Konzerten und morgens waren wir zum Frühstück wieder da. Wir haben auch miteinander gelebt. Das hat sich verändert, weil man mit seinen Gerätchen heute von jedem Ort der Welt aus tätig sein kann und auch im Austausch ist. Ich will das überhaupt nicht werten, aber es stärkt nicht so sehr das Wir-Gefühl, wenn man als Einzelkämpferin der Kollegin nebenan per E‑Mail noch eine Schippe drauflegt, statt kurz den Kopf um die Ecke zu stecken und zu sagen: „Kann ich dich kurz was fragen?“
Das hat die Qualität des Arbeitens stark verändert und wahrscheinlich auch das Bedürfnis geweckt, Grenzen zu ziehen.

Zum anderen gibt es aus budgettechnischen Gründen viel öfter befristete Stellen, weil die Entwicklung nicht vorhersehbar ist. Im gesamten Medienbereich ist ja durch die Digitalisierung ein gigantischer Transformationsprozess ins Rollen gekommen, der diese Dualität mit sich bringt: Einerseits wollen und müssen wir das Neue tun, andererseits können und dürfen wir das Alte aber nicht lassen, weil das immer noch der Ast ist, auf dem wir sitzen. Das macht zum Beispiel die Arbeit eines Produktmanagers irre komplex. All diese Faktoren führen dazu, dass es zwar ein spannender Job in einem fantastischen Umfeld ist, die Leute aber irgendwie weiterziehen müssen, wenn sich nicht unmittelbar im Unternehmen etwas ergibt.
Mich beschäftigt das, denn eine etablierte Marke wie die Deutsche Grammophon – wir sind inzwischen 120 – lebt auch von den Menschen, die mit ihr verbunden sind. Und das sind nicht nur die Künstler, das sind eben auch Urgesteine unter den Kolleg*innen, die Jahrzehnte dabei sind.

 

Tradition ist ja nicht nur das Aushängeschild. Sie sollte innerhalb des Unternehmens gelebt werden.

Genau, diese beiden Pole – Tradition und Innovation. Jedoch sind die vielen Wechsel heute auch gar keine Schande. Als ich in den Beruf startete, gerade als Beamtentochter, suchte man eine Lebensstellung. Ich fand das Wort damals schon furchtbar, ich wollte keine Lebensstellung. Das klingt so nach „lebenslänglich“, als wäre man dann gefangen und dürfte nicht mehr raus. Aber auf jeden Fall wären Stellenwechsel im zweijährigen Rhythmus für den Lebenslauf nicht so toll gewesen. Heute muss man sich einen Lebenslauf natürlich sehr genau anschauen, weil vieles nur so aufgeplustert ist und eigentlich gar nichts heißt. Oft rate ich Mitarbeiter*innen, die sich weiterentwickeln möchten, aber auch zu gehen, um wiederzukommen. Intern gibt es durchaus Beispiele von Kolleginnen und Kollegen, die nach einem Ausflug wieder zurückkommen und neue Erfahrungen mitbringen. Das finde ich gar nicht so verkehrt.

 

Das Thema Work-Life-Balance ist heute viel präsenter, was ja nicht unbedingt schlecht ist. Früher war es ganz normal, aus seiner Agentur nicht vor neun wegzukommen…

Ja, das bewundere ich. Gerade wenn man die Ambition hat, die Arbeit mit einer Familie zu verbinden, geht das gar nicht anders. Ich hatte das Glück, mir durch meine Flexibilität einen gewissen Kredit zu erwerben, so lange ich noch keine Familie hatte. Deshalb kann ich den Schwerpunkt jetzt bewusst anders setzen, wenn auch nur bis zu einem gewissen Punkt. Das hat viel mit dem Arbeitsumfeld zu tun. In meinem Team zum Beispiel sitzen zwei Produzentinnen, die beide 75% arbeiten. Die eine hat ein ganz kleines Kind, die andere hat zwei Schulkinder. Beide sind nicht alleinerziehend, dennoch würde es mit einer Vollzeitstelle so nicht klappen. Da kommt wieder der Teamgedanke zum Tragen.
Vor allem bei Frauen, auch bei mir selbst, beobachte ich dieses starke Pflichtbewusstsein, sowohl auf der beruflichen als auch auf der familiären Seite, und diesen großen Anspruch an sich selbst, an dem man eigentlich nur scheitern kann: Wir wollen beidem total gerecht werden – eine tolle Mama sein, die eben nicht einen 80-Wochenstunden-Job hat, und gleichzeitig super erfolgreich im Beruf. Plötzlich können banale Dinge das persönliche Scheitern bedeuten: Das Kind bringt aus der Kita irgendwelche Viren mit und Sie werden krank, und zwar so krank, wie Sie es wahrscheinlich in Ihrem ganzen Leben davor nicht waren. Sie müssen halblang machen, und keiner nimmt darauf Rücksicht. Die Arbeit wird weiterhin einfach abgeladen und Sie müssen sich damit auseinandersetzen, sonst bleiben Sachen liegen und unbeantwortet.
Eine Struktur zu schaffen und zu haben, die so etwas auffangen kann, das ist eine große Herausforderung. Ich bin mir auch nicht sicher, wie gewünscht das in der Unternehmenskultur tatsächlich ist. Ich bin ein bisschen stolz darauf, dass es in meinem Werdegang mit Sabine Max eine zentrale Frauenfigur gab. Die war natürlich eine Ausnahmeerscheinung, doch hat sie mir immer vermittelt: „Macht halt und nehmt einfach das Heft in die Hand! Zeigt, dass ihr das könnt und dass es geht und versucht nicht irgendwie, das mit den Mitteln zu tun, mit denen eure Sandkastenkollegen mit den Förmchen um sich schmeißen – macht euer Ding.“ Nicht von wegen, „wir sind benachteiligt und man lässt uns nicht.“ Das war bei allen Kolleginnen so, um die sie sich gekümmert hat, nicht nur bei mir, und das ist eine wichtige Botschaft.

Kritisch betrachtet hatte die Deutsche Grammophon in ihrer 120-jährigen Geschichte noch nie eine Präsidentin. In der obersten Position waren immer Männer. Doch sind inhaltlich relevante Positionen wie meine auch vor mir schon von kompetenten Frauen besetzt gewesen. Ich habe das Gefühl, die Dinge mitgestalten zu können, die mir wichtig sind. Ich kann dazu beitragen, dass wir glänzen und gut aussehen. Aber in so einem Konzern unternehmenspolitisch arbeiten zu wollen, ist eine Entscheidung. Ob man das will, fragt man sich im Verlauf der Karriere nicht nur einmal. Und in gewissen Momenten muss man seinen Hut auch wirklich in den Ring werfen.

 

Hattest Du Dir diese Führungsposition jemals gewünscht, oder war das nicht erstrebenswert?

Bei einem Label ist das A&R einfach der wichtigste Bereich, die Keimzelle und das Zentrum der gesamten Aktivitäten. Durch die Verbindung mit der Operating Company, also der Vertriebsgesellschaft, hat sich das etwas verändert. Wir sind heute stärker mit dem deutschen Markt als mit allen anderen verbunden, was andere Aufgaben für den Präsidenten der Deutschen Grammophon mit sich bringt, wie die Verantwortung für die Vermarktung von Veröffentlichungen der weiteren Klassiklabel sowie Jazz. Hierfür würde mir wahrscheinlich die direkte Erfahrung im kommerziellen Geschäft fehlen. Ich war ja immer Teil der Repertoire-Gesellschaft, die natürlich auch die Voraussetzungen dafür schaffen muss, dass Umsätze gemacht werden können. Jedoch wollte ich immer möglichst nah am Produkt, an der Produktion, sein, so dass es letztlich eher eine fachliche Überlegung war. Wie auch bei einem Festival müssen Sie sich entscheiden: „Möchten Sie Intendant sein oder kaufmännischer Geschäftsführer?“ Meine Entscheidung basierte weniger auf der Frage, ob ich mir das zutraue, sondern war vielmehr inhaltlicher Natur.

 

Gibt es in Deinen Augen bei Frauen entscheidende Fähigkeiten oder Eigenschaften, um im Kulturmanagement und explizit im Bereich Label voranzukommen?

Ich glaube, es ist kein Zufall, dass manche Frauen, wie auch ich, in dieser Position sind. Dieses Hartnäckige und diese Belastbarkeit, die Einstellung, dass Sachen irgendwie gemacht werden müssen, auch wenn es in dem Moment zu viel ist; das ist eine Einstellung, die erfolgreiche Frauen gemein haben, und ich könnte mir vorstellen, dass das eine wichtige Fähigkeit ist. Eine Schlüsselkompetenz ist außerdem Kommunikation. Auch aktives Mitdenken und vernetztes Denken; im Blick haben, was um einen herum passiert, um die eigene Arbeit, aber auch Trends vorausschauend einordnen zu können – solche Stärken werden klischeehaft Frauen zugeordnet. Letztlich geht es um eine gewisse Flexibilität im Denken und Handeln.

 

Gibt es etwas, das Du auf Deinem beruflichen Weg anders gemacht hättest, hättest Du Dein heutiges Wissen bereits zu Beginn Deiner Laufbahn gehabt? Und welchen Rat würdest Du heutigen Berufsanfängerinnen mit auf den Weg geben?

Über dieses Thema rede ich derzeit viel mit meiner Tochter und meinen heranwachsenden Patenkindern, drei Mädchen. Ich weiß nicht warum, aber für Frauen sind Karriere und Familie immer noch schwer unter einen Hut zu bringen. Das verändert sich gerade etwas. Meine Eltern haben immer gesagt: „Wir glauben an dich, wir investieren in dich, du sollst unabhängig werden.“ Bei meiner Mutter ging das soweit, dass sie sogar gesagt hat: „Von mir aus musst du keine Kinder in die Welt setzen, sieh zu, dass du einen tollen Beruf findest.“ In unserer Generation war es schon üblich, alles nur auf eine Karte zu setzen. Du bildest dich aus, du investierst, das tust du nicht, um einen Kinderwagen durch die Gegend zu schieben. Und wenn die Kinder mit 16 sagen „Alles klar, ich komme allein zurecht“ – was dann?

Ich würde Frauen heute ermutigen, Beruf und Familie von Anfang an gemeinsam zu denken – nicht eins nach dem anderen. Im Idealfall ist das keine Aufgabe, die man alleine bewältigen muss, sondern meistens gibt es ja auch noch einen Vater zu diesen Kindern. Dass man das mit einer größeren Selbstverständlichkeit mit in das Berufsleben hineinnimmt, und dass man sich auch das Territorium dafür erkämpft, das wünsche und rate ich jungen Frauen – es soll kein „Entweder-oder“ sein, sondern ein „Sowohl-als-auch“ sein. Speziell in Deutschland ist Universal zum Beispiel ein Arbeitgeber, der dafür steht, Möglichkeiten zu schaffen. Da gibt es Teilzeitarbeit und eine Kita. Es gibt auch Beratung und Coachings, gerade auch zur Burnout-Prävention, die praktisch kostenfrei Universal-Mitarbeiter*innen und deren Familien angeboten werden. Das ist ein ganz tolles Angebot, das auch sehr gut angenommen wird.

 

Das ist in der Kulturbranche ja ein totales Unikat.

Ja, das muss man schon sagen. Gestern Abend war ich erst in einem Konzert mit zwei jungen Kolleginnen. Um elf Uhr habe ich mich verabschiedet, weil ich heute Morgen einen französischen Austauschschüler abholen musste. Und dann haben sie gesagt: „Ute, für uns bist du so eine richtige Anchor Woman. Wir wissen nicht genau, wie du das schaffst, mit Familie und diesem Wahnsinns-Job, aber es ist eine tolle Botschaft, dass das geht, und auch, wie du das machst.“ Man sollte es einfach machen. Und ich glaube, je selbstverständlicher und selbstbewusster man damit auftritt, ohne dass man dieses „Mutter sein“ total vor sich herträgt, desto besser funktioniert es. Mir wurde eher mit Respekt und Anerkennung begegnet als mit Unverständnis. Ich habe aber auch erlebt, dass der Säugling alle zwei Stunden zum Stillen vorbeigebracht und in der Teeküche gewindelt wurde, was bei Kolleginnen und Kollegen das Klischee bestätigt, die frisch gebackene Mutter hätte nichts anderes im Kopf.
An dieser Stelle musste auch ich ab und zu mit dem ganzen Rückenwind meiner Familie sagen: „Tut mir leid, Leute, das müsst ihr ohne mich machen – ich muss da jetzt Flagge zeigen.“ Denn sonst heißt es ganz schnell, ich hätte jetzt andere Prioritäten. Wieso sollte ich andere Prioritäten haben? Das Leben als Ganzes ist eine Priorität.

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“Richtig ankommen wird man nie, man muss stetig weiter an sich arbeiten, und zwar auf vielen Ebenen.” https://her-arts.de/2018/10/19/ilona-schmiel-intendantin-der-tonhalle-zuerich/ https://her-arts.de/2018/10/19/ilona-schmiel-intendantin-der-tonhalle-zuerich/#respond Fri, 19 Oct 2018 08:04:47 +0000 https://her-arts.de/?p=9 Ilona Schmiel - Intendantin der Tonhalle Zürich

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Ilona Schmiel — Intendantin der Tonhalle Zürich

 

Frau Schmiel, Ihr Karriereweg bis zu Ihrer Position an der Tonhalle Zürich ist im Internet nachlesbar. Würden Sie uns dennoch zu den Schlüsselmomenten Ihrer Karriere zurückführen?

Einer der wichtigsten Schlüsselmomente war die Entscheidung, überhaupt in den Bereich Kulturmanagement zu gehen. Ich hatte meine Karriere als Musikerin auf der Bühne begonnen, dann aber Schulmusik und Altphilologie studiert, um einen verlässlichen akademischen Background zu haben. Für mich stand jedoch früh fest, dass ich nicht ausschließlich unterrichten wollte. Während meines Kulturmanagement-Studiums an der Hochschule für Musik „Hanns Eisler“ habe ich die Berliner Kulturszene intensiv genutzt und war nahezu jeden Abend auf Kulturveranstaltungen. Das halte ich für ein wichtiges Erfolgskriterium: Wer eine Leitungsfunktion in einer Kulturinstitution anstrebt, sollte sehr viel gesehen, gehört und erlebt haben. Es reicht nicht, einmal pro Woche in ein Konzert, eine Oper oder eine Kunstausstellung zu gehen. Auch ist es wichtig, sich von Anfang an, ein Netzwerk aufzubauen. Die Verbindungen aus meinem Studium pflege ich auch heute noch intensiv – sowohl die Kontakte zu Kommiliton*innen als auch zum Lehrpersonal sollte man nicht unterschätzen, denn man trifft sich später immer irgendwo wieder.

Zu Beginn meiner Karriere förderten mich über viele, viele Jahre hinweg ausschließlich Männer. Das halte ich für unerheblich, wichtig ist nur, dass gute Mentoren-Mentee-Gespanne entstehen, die zueinander passen. Meine Mentoren hatte ich bereits im Studium gefunden und stehe mit ihnen bis heute in Kontakt bezüglich bedeutender Karriereentscheidungen. Zu meinen Studienzeiten gab es noch keine Alumni- und Mentoring-Programme, dennoch suchte ich von Anfang an den Austausch mit starken Persönlichkeiten mit interessanten Biografien. Eine dieser Personen ist Prof. Dr. Klaus Siebenhaar, der den Studiengang Kultur- und Medienmanagement an der Hochschule für Musik „Hanns Eisler“ begründet hat. Hier kamen Studierende aus Ost und West, haupt- und nebenberuflich Immatrikulierte, die bereits in Kulturinstitutionen tätig waren, zusammen – das war eine wichtige Quelle an Erfahrungen und kritischen Diskursen. Da es zu dieser Zeit noch kein Internet gab, waren wir auf den persönlichen Austausch vor Ort und etliche Reisen zu den einzelnen Institutionen und Produktionen angewiesen, was ich im Nachhinein betrachtet als Vorteil sehe.

 

Wie ging es dann weiter?

Mein nächster Schritt war die Arbeit bei einer privaten Agentur für die „Arena di Verona“. In dieser Zeit lernte ich viel über Tourneeproduktionen. Die künstlerisch hochkarätig besetzten Produktionen mussten zielgruppengerecht und massentauglich sein. Dieser Geschäftszweig ist seit 2000 eigentlich komplett weggebrochen. Diese Tendenzen waren zu meiner Zeit dort bereits erkennbar, starke Umwälzungen in der Organisation der „Arena di Verona“ kamen hinzu. Ich war mit 200 bis 300 Italienern unterwegs auf Tournee, lernte viel über das Tourneeleben und hatte in der sehr kleinen Agentur, die für alles zuständig war, direkt einen sehr großen Verantwortungsbereich. Außerdem erfuhr ich viel über interne, gewerkschaftspolitische Fragen in Ensembles. Ich denke, auch dies ist ein wichtiger Erfolgsfaktor: Sich nicht in riesigen Strukturen zu verirren, wo man, übertrieben gesagt, die achtzehnte Assistentin ist und kaum wahrgenommen wird, sondern eher eine Tätigkeit anzustreben, in der man mit dem eigenen Wirken große Spielräume nutzen kann.

Von da aus ging ich an das Bremer Konzerthaus „Die Glocke“ und übernahm meine erste Geschäftsführungs- und Intendanzposition. Das kam für mich schneller als erwartet. Ein Freund sendete mir die Stellenanzeige eines Headhunters. Damals war es sehr selten, dass Führungspositionen von Headhuntern besetzt wurden. In der Stellenanzeige wurde ein „Geschäftsführer“, ohne weibliche Form, gesucht – ein junger, dynamischer Kulturmanager. Ich rief dort an, um zu fragen, wie jung der Kulturmanager sein dürfe, und ob sie mit einer Frau, die gerade dreißig geworden ist, auch rechnen würden. Ich hatte einen wunderbaren Headhunter, dem es etwas die Sprache verschlug. Er sagte, das sei schon ziemlich jung, und mich persönlich hätten sie nicht auf dem Radar gehabt.

Schließlich war ich mehrere Jahre ständig unterwegs im Ausland gewesen und in Deutschland nicht präsent. Nach unserem ersten Treffen hat er dafür gekämpft – dann bei den Aufsichtsratsmitgliedern – dass ich im Januar 1998 in Bremen anfangen konnte. Als die Zusage kam, dachte ich, diese „Schuhe seien zu groß“ für mich, denn mein Vorgänger war jemand, den ich sehr schätze und mit dem ich bis heute freundschaftlich verbunden bin. Wichtig ist, in so einem Moment auch „Ja“ zu sagen, und nicht plötzlich aus Selbstzweifeln heraus abzulehnen. Es ist besser, früh eine Führungsposition einzunehmen und gegebenenfalls zu scheitern, als zu spät. So hat man noch die Chance, sich weiterzuentwickeln. Ich habe wie wahnsinnig gearbeitet und mich den Herausforderungen, die ich noch nicht erlebt hatte, wie z. B. das Leiten von Aufsichtsratssitzungen, aktiv gestellt. Hier hatte ich wieder eine Person, die mich gut trainiert hat, um auch in betriebswirtschaftlicher Hinsicht fit für diese Stelle zu sein. Nach vier Jahren und drei Monaten trat ich von meiner Position zurück.

 

Wie kam es dazu?

Ich trat damals zurück, weil ich einen Betrag zur Realisierung künstlerischer Projekte nicht bekam, mit der Begründung, ich könnte diese Mittel ja zusätzlich akquirieren. In der Zwischenzeit war ich zusätzlich Geschäftsführerin des Bremer Musikfestes geworden. Sponsoren mussten sich entscheiden, ob sie zusätzliche Mittel ans Festival oder für das Konzerthaus gaben. Die Menge der Förderer konnte schon zu dem Zeitpunkt nicht beliebig erweitert werden.  Daher war meine Forderung nach zusätzlichen Mitteln der öffentlichen Geldgeber begründet. Nach einem Jahr der Verhandlungen und den damit einhergehenden Konsequenzen für meine künstlerischen Anliegen – ich hatte lediglich die Möglichkeit, diese hinten an zu stellen bzw. nicht zu realisieren – bat ich um meine Vertragsauflösung, ohne eine neue Position zu haben.
Zum ersten Mal in meinem Leben hatte ich dann sechs Wochen am Stück Zeit. Am Anfang genießt man das, nach vier Wochen wurde ich jedoch unruhig. In der Branche hat mir dieser konsequente berufliche Schritt den Ruf eingebracht, für künstlerische Inhalte einzustehen und dafür zu kämpfen – und das trotz meines sehr jungen Alters. Und so erhielt ich zeitnah die Anfrage, ob ich als Intendantin des Beethovenfests in Bonn ins Rennen gehen möchte. Dort habe ich elf Jahre lang für zehn Festivaleditionen an der künstlerischen Positionierung des Festivals, dessen Internationalisierung, neuen Formaten, Partizipation von diversen Partnern, Öffnung in die Stadt Bonn hinein sowie neuen Vermarktungsstrategien unter ständiger Erweiterung von finanziellen Unterstützern im privaten wie öffentlichen Bereich gearbeitet und mich strukturellen und organisatorischen Fragen gestellt. 2012 kam dann die Anfrage aus Zürich für die Intendanz der Tonhalle-Gesellschaft – ein guter Saal, ein sehr gutes Orchester und viele interessante Rahmenbedingungen. Nach fünfzehn Jahren in Deutschland wollte ich zudem wieder ins Ausland – und bin hier definitiv in der Schweiz angekommen.

 

Heute läuft fast alles übers Internet. Zu Beginn Ihrer Karriere hat man noch viel mehr telefoniert, oder?

Man hat unglaublich viel telefoniert, man hat sich getroffen, man hat intensiv diskutiert. Und das gilt bis heute: Nichts ersetzt den persönlichen Kontakt. Das Live-Erlebnis, nicht nur auf der Bühne, sondern im menschlichen Kontakt ist essentiell für mich. Bei jeder Art der Zusammenarbeit geht es um Vertrauensverhältnisse, um klare Strukturen. Dafür ist es wichtig, die eigene Positionierung und Außenwirkung zu kennen, Authentizität zuzulassen, und genau zu wissen, woran man noch arbeiten muss. Auch das ist eine zentrale Erkenntnis: Richtig ankommen wird man nie, man muss stetig weiter an sich arbeiten, und zwar auf vielen Ebenen.

 

Gehen wir nochmal zurück nach Bremen. Wie war es für Sie, in so jungen Jahren in einer solchen Position zu sein und ein komplettes Team zu leiten?

Die Teamleitung war aus meiner Sicht kein Problem. Ich war schon immer eine Führungspersönlichkeit. Natürlich wird man mit vielen persönlichen Schicksalen konfrontiert, aber wenn Sie vorher mit 300 Leuten auf Tournee waren, sind Sie in zwischenmenschlichen Auseinandersetzungen jeglicher Art erfahren und stresserprobt, auch unter den kritischen Blicken vieler Augen. Die Herausforderung war, politisch agieren zu müssen in einem Umfeld, in dem man die eigene Position und die des Hauses sehr genau reflektieren muss, inklusive der Konkurrenz vor Ort und möglicher Kooperationspartner. Es galt, Allianzen zu schaffen, das Haus zu öffnen, Veranstaltungsbelange, auch von Drittanbietern, zu koordinieren und mit dem vor allem medialen Erwartungsdruck umzugehen und einen guten Umgang mit den Medien zu finden. Hier muss man viele Entwicklungen antizipieren können und eine optimistische Grundhaltung an den Tag legen, auch wenn man nichts versprechen kann und noch nicht überall Einblicke hat. Eine positive Grundhaltung ist essentiell – haben Sie diese nicht, können Sie es lassen. Konfliktlust und ‑fähigkeit sind weitere Schlüsselqualifikationen.

 

In all den Jahren haben Sie bestimmt auch andere Frauen im Kulturmanagement kennen gelernt. Wie sehen Sie die Position von Frauen in dieser Branche?

In bin traurig, dass es nach meiner Zeit in Bremen keine einzige Frau mehr dort in eine leitende Position im musikalischen Bereich geschafft hat. Eine Ausnahme stellen die Museen dar – ein fantastisches Zeugnis für die Vielgestaltigkeit der Museumslandschaft. Bei Konzerthaus- oder Orchesterintendanzen sind Frauen weltweit eine rare Ausnahme, bis heute, und das stimmt mich nachdenklich. Auf der anderen Seite erlebe ich immer wieder bei Frauen, die für solche Positionen vorgeschlagen werden, dass sie sich noch nicht bereit dafür fühlen. „Soweit bin ich noch nicht“ – damit darf man sich nicht zufriedengeben. Wenn man in eine Führungsposition will, sollte man es konsequent ausprobieren.

 

„So weit bin ich noch nicht“ – diesen Satz hören Sie mehr von Frauen als von Männern?

Absolut. Ich kenne keinen Mann, der mir diesen Satz jemals gesagt hat. Männer schauen schneller danach, was ein nächster sinnvoller Karriereschritt für sie sein könnte. Bei Frauen dauert das zum Teil wahnsinnig lang, viele machen lieber noch eine weitere Ausbildung oder Qualifikationsmaßnahme. Ich sage denen: Die 18. Fortbildung bringt es nicht – Ihr müsst Eure Ziele durchsetzen. In einer Bewerbungssituation muss man die Kraft haben, sein Gegenüber von der eigenen Willensstärke zu überzeugen, auch davon, dass man bereit ist, Opfer einzugehen, also unglaublich viel Zeit zu investieren. Man muss schon vieles erst einmal hinten anstellen, das muss man wollen. Und eine Chance ergreifen, wenn sie kommt.

 

Gibt es weitere Unterschiede, wie Männer und Frauen Karriere machen?

Für mich gibt es im beruflichen Umfeld grundsätzlich überhaupt keine Unterschiede zwischen Männern und Frauen. Jeder muss einen authentischen Führungsstil für sich selbst finden. Ein Unterschied ist jedoch, dass Frauen weniger Vorbilder haben, mit denen sie sich auseinandersetzen können. Ich hoffe, dass sich das endlich ändert. Dennoch sind die Karrierewege der erfolgreichen Frauen, die ich kenne, alle sehr ähnlich. Sie waren immer irgendwo die Ersten oder Zweiten, haben sich gut vernetzt, haben „geackert“. Sie haben reüssiert und viel für den Erfolg in Kauf genommen, aber sie wollten diese Position auch unbedingt und lieben es zu entscheiden. Ich glaube, es gibt eine grundsätzliche Frage, die ich auch gern Schülern stelle: Können Sie sich vorstellen, Chef zu werden? Ich kann Ihnen relativ früh sagen, ob jemand mit 15, 16, 17 Jahren Führungseigenschaften hat oder nicht. Man wird nicht plötzlich mit 30 zur Führungskraft. Wenn man dagegen schon immer jemand war, der in Gruppenpräsentationen vorne dran war, der Ideengeber war oder gern quer und innovativ gedacht hat – jemand, der lieber ausprobiert, als allen zu gefallen – dann ist das ein gutes Zeichen. Es gibt sicher unterschiedliche Wege, seine Karriere aufzubauen, so wie es auch verschiedene Biografien gibt – die Kriterien sind aber letztlich dieselben.

 

Es kommt also am meisten auf den Persönlichkeitstyp an?

Genau. Man braucht außerdem Menschen in seinem Umfeld, die einem sagen, wie man Themen organisiert oder bestimmte Strukturen umsetzt, die einen aber auch auf die eigenen Qualitäten aufmerksam machen.

 

Gibt es etwas, was Sie gerne schon am Anfang Ihrer Laufbahn gewusst hätten? Etwas, was Sie aus heutiger Sicht anders angehen würden?

Das ist schwer zu sagen. Im Nachhinein betrachtet hatte jede Entscheidung ihren Sinn. Für mich war es wichtig zu gehen, wenn ich merkte, dass ich mich in einer Position nicht weiterentwickeln kann. Aus heutiger Perspektive würde ich wohl ähnlich handeln. Allerdings sind die Bedingungen heute natürlich andere. Vielleicht wäre ich jetzt nicht in Zürich, sondern woanders. Offenheit, Neugier und der Drang nach persönlicher Weiterentwicklung – das sind wichtige Grundlagen, um an unterschiedlichen Stationen erfolgreich wirken zu können. Je mehr Erfahrung man hat, desto besser kann man sich einbringen, Neues, Besonderes oder Schräges wagen, neue Menschen erreichen oder neue Künstler finden. Man muss sich im Klaren darüber sein, dass man keine Karriere im eigentlichen Sinne plant, sondern Optionen bekommt. Entscheidend ist, diese Chancen zu ergreifen.

 

Selbst, wenn man ein Team hat, ist man ja am Ende immer noch diejenige, die ganz oben ist und das Sagen hat…

Ja, so ist es. Man muss entscheidungsfreudig, aber auch ein guter Teamplayer sein. Einen komplett patriarchalischen Führungsstil gibt es heute nicht mehr, und das ist auch gut so.

 

Was raten Sie Berufsanfängerinnen darüber hinaus?

Sie sollten sich mit Führungspersonen viel früher auseinandersetzen, als es die meisten tun. Im Prinzip sollten sie sich am Studienanfang überlegen, wen sie kennenlernen möchten, und  diese Leute gezielt ansprechen, zum Beispiel bei Kongressen oder in der Institution selbst. Auch auf mittlerer Führungsebene gibt es spannende Persönlichkeiten, es muss nicht immer gleich die Intendanz sein. Auf diese Weise lernt man die Entscheidungskriterien kennen, um in eine solche Position zu gelangen und kann eigene Fragestellungen mit Personen in höheren Ebenen diskutieren. Man lernt viel anhand anderer Lebenswege.

 

Sie wussten schon früh, wohin Sie wollten. So geht es nicht jedem, zudem hat man ja heutzutage nicht mehr so viel Zeit, sich auszuprobieren…

Sie haben eigentlich alle Zeit der Welt! Ein häufiger Fehler bei Frauen ist, alles systematisch Step by Step angehen zu wollen – und einen Plan zu verfolgen, bei dem eine Leitungsposition irgendwann mit 40 vorgesehen ist. Dieses Modell stelle ich infrage. Es gibt Side-Steps, beispielsweise kleine Festivals, die Führungspersonen suchen, oder Orte, die auf den ersten Blick nicht super-attraktiv erscheinen, aber an denen man etwas bewegen kann. Ich habe damals die Entscheidung getroffen, aus Berlin wegzugehen, auch wenn es eine absolut fantastische Stadt ist. Zum Glück. Ich weiß, dass manche meiner Kommilitoninnen und Kommilitonen bis heute in Berlin leben und tolle Karrieren gemacht haben. Ich will das also gar nicht werten. Für mich erschien es jedoch als nahezu unmöglich, mich in Berlin zu positionieren. Wie sollte das gehen in diesem Heer von Menschen, die alle in der Musikwelt etwas bewegen wollten? Für mich war es deshalb die richtige Entscheidung, die „bekannte“ Scholle zu verlassen. Das war mühevoll und kostete Energie, es machte zeitweise einsam. Aber es hat mich geprägt und vor allen Dingen gestärkt.

 

Photo credit: Paolo Dutto

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