Mythos 2:
„Personalentwicklung kann man sich nicht leisten, das ist zu teuer.“
Folgt man diesem Argument, werden Maßnahmen der PE als „Extraleistungen“ abgetan, für die kein Budget vorhanden ist. Es sollen hier keine Ressorts gegeneinander ausgespielt werden, aber natürlich darf bei einer Neuaufstellung der Personalabteilung eine Umverteilung von Budgetgeldern nicht gescheut werden. Ein Blick auf die zum Teil enormen Summen, die für Marketingkampagnen ausgegeben werden, lässt zumindest erkennen, welcher finanzielle Spielraum vorhanden sein kann, wenn die Bereitschaft da ist, etwas zu investieren. Und diese sollte vorhanden sein, wenn man versteht, dass die Investition in Maßnahmen der PE durchaus Anteil an einem steigenden Umsatz haben kann. Erst die Befähigung zum Einsatz neuer technischer Möglichkeiten, kann auch dazu führen, dass Mitarbeiter*innen diese in die Organisation implementieren und dadurch für z.B. innovative Produkte, für günstigere Produktionswege oder neue Prozessabläufe sorgen.
Der RoIle von Personalentwicklungsmaßnahmen ist nur schwer messbar, aber nicht von der Hand zu weisen. So bieten z.B. die Möglichkeiten des Online-Marketings und die Nutzung der sozialen Medien Kulturinstitutionen wirksame Wege, auch neues Publikum zu erreichen. Zugleich können diese Kanäle nur erfolgreich genutzt werden, wenn zum einen das Personal die technischen Neuerungen auch kompetent einsetzen kann, und wenn zum anderen das Potential der eigenen Mitarbeiter*innen als motivierte Botschafter*innen der Institution genutzt wird. Das Netzwerk, das hinter den eigenen Mitarbeiter*innen steht, ist nur zu erreichen, wenn Stolz und Identifikation dazu führen, Empfehlungsmarketing bewusst oder unbewusst auszuüben. Die Arbeitgeberattraktivität strahlt letztlich auch auf die Marke ab. Und auch die Ausstrahlung von zufriedenen, wertgeschätzten Mitarbeiter*innen (von Orchestermusiker*innen bis zum Kassenpersonal) wirkt sich letztlich positiv auf die Resonanz des Publikums aus.
PE kann also den Umsatz erhöhen, sie kann aber auch Kosten reduzieren; nämlich all jene Kosten, die mit dem Verlust von Mitarbeiter*innen und deren Wissen einhergehen. Ebenso die Kosten, die durch Ausschreibungen, Bewerbungsverfahren und Einarbeitung neuer Mitarbeiter*innen entstehen, wenn man intern stärker die langfristige Bindung und Weiterentwicklung der bereits vorhandenen Mitarbeiter*innen vor Augen hat. Dazu gehört natürlich auch, dass man Perspektiven bietet (z.B. durch die Übertragung neuer Themenbereiche oder die Ausarbeitung von Stellvertreterrollen) oder neue Beförderungsmöglichkeiten ausarbeitet, die jenseits der gängigen Hierarchien stehen (z.B. durch Fachkarrieren oder die Leitung von einzelnen Projekten). Eine vorausschauende PE und ihr Teilbereich des Talentmanagements können zu Synergien mit der Personalbedarfsplanung führen und auch so Kosten und Reibungsverluste einsparen. Kennt man anstehende Bedarfe oder Veränderungen frühzeitig, kann man sich intern um eine Lösung bemühen, z.B. Modelle des ‚job-sharings‘ nutzen oder eine Stellvertreterrolle einführen, um eine Person aufzubauen und dazu zu befähigen, den bevorstehenden Ausfall einer anderen Person zu kompensieren.
Und versteht man die Investition in Instrumente der PE als Investition in den Erhalt und Ausbau der Leistungsfähigkeit, geht es letztlich auch um betriebliches Gesundheitsmanagement. Mitarbeiter*innen, die sich durch Weiterbildungen besser in der Lage sehen, ihre Aufgaben zu bewältigen oder auch neue Aufgaben anzunehmen, sind leistungsfähiger und fehlen seltener.
Fazit: Personalentwicklungsmaßnahmen können also Geld sparen und Umsätze erhöhen, und zugleich müssen sie noch nicht einmal teuer sein. Selten ist direkt eine komplette Personalentwicklungsabteilung aufzubauen. Meist können auch kleinere, günstige Maßnahmen schon viel bewirken. Vor allem ist nicht zu unterschätzen, dass selbst aus der Organisation heraus Personalentwicklungsmaßnahmen durchführbar sind, also nur wenige externe Leistungen monetär ins Gewicht fallen müssen. An erster Stelle stehen hier regelmäßige Mitarbeitergespräche, deren Führung auch erlernt sein muss. Betriebseigene Mentoring-Programme oder auch „Buddy-Programme“ (hier wird einem/r neuen Mitarbeiter*in für die ersten Monate ein Erfahrener an die Seite gestellt, um so das Einarbeiten und Ankommen zu erleichtern) können ebenfalls ein Weg sein. Qualitätszirkel oder Projektteams, die zu abgesteckten Themenbereichen über die gängigen hierarchischen- und Abteilungsebenen hinweg zusammen arbeiten und sich austauschen, könnten ein anderer sein. Job-Rotation-Programme können zu Perspektivwechseln animieren und neue Anregungen schaffen, aber auch neu für die eigentliche Tätigkeit motivieren. Die Ausweitung des Gestaltungsspielraums kann ebenfalls eine individuelle Maßnahme sein, um für eine Weiterentwicklung von Mitarbeiter*innen zu sorgen, für die zunächst keine zusätzlichen Kosten entstehen müssen.
Nutzt man dann für die Weiterbildung vorhandene Gelder möglichst nachhaltig, so könnte dies beispielsweise durch die Ausbildung von eigenen, betriebsinternen Coaches erfolgen. Zur Etablierung einer „Coaching-Kultur“ durch ein Multiplikatoren-Modell, werden z.B. zwei bis drei Mitarbeiter*innen ausgewählt, denen eine Coaching- oder auch eine Mediationsausbildung gezahlt wird. Der Auswahlprozess dieser Mitarbeiter*innen wäre dann bereits eine spezielle Form des Talentmanagements. Zudem würden diese Mitarbeiter*innen künftig für eine Implementierung bestimmter Kommunikationstechniken sorgen und insbesondere bei Bedarf an individuellem Coaching oder bei Konfliktfällen als interne Expert*innen genutzt.
Die Möglichkeiten und Chancen von strategischer PE sind vielfältig. Doch helfen allein der gute Wille oder die guten Ideen nicht. Es muss zugleich auch einen Wandel in der Unternehmenskultur geben. Eine Kultur des Lernens verwirklicht sich nur durch gegenseitige Wertschätzung, durch Interesse an den individuellen Ressourcen und Bedürfnissen der Mitarbeiter*innen, durch eine neu zu etablierende Fehlerkultur sowie durch die Bereitschaft, den Mitarbeiter*innen mehr Selbstverantwortung, aber auch Verantwortung für die Institution zuzutrauen. Etabliert man eine solche Kultur des Lernens, die an einer langfristigen Bindung der einzelnen Mitarbeiter*innen interessiert ist, dann kann man sich auch darauf verlassen, dass diese als Netzwerk funktionieren, das über die Tätigkeit für diese Institution hinaus Bestand hat.
Ein solcher Kulturwandel sollte allen Mitarbeiter*innen dienen, würde letztlich aber auch speziell auf die Stärkung von Frauen in Kulturinstitutionen einzahlen. Nachhaltig entwickelte Personalentwicklungsmaßnahmen sind letztlich auch in Genderfragen wirksam, da sie stets sowohl objektive Unternehmensziele als auch individuelle Bedürfnisse und Ressourcen im Blick haben. Gäbe es beispielsweise in einer Institution Probleme mit der so genannten „gläsernen Decke“ oder mit individuellen Fähigkeiten einer Mitarbeiterin, die ihrer Beförderung im Weg stehen, dann könnte die systematisch eingesetzte Personalentwicklung auf diese Themen eingehen.
Entweder durch z.B. Coachings der Führungsebene, durch Etablierung von klaren Beförderungsprozessen und objektiven Kriterien für ein Talentmanagementprogramm oder z.B. durch individuelle Trainingsangebote für die Mitarbeiterin. Letztlich geht es bei der PE darum, den oder eben auch die am besten geeignete Mitarbeiterin in die Lage zu versetzen, ihre Aufgaben in der bestmöglichen Weise zu erfüllen und ihr bei ihrer beruflichen Weiterentwicklung zur Seite zu stehen. Eine Investition in die Mitarbeiterin von heute ist letztlich eine Investition in eine Fürsprecherin von morgen.