Interviews | herARTS https://her-arts.de Das Netzwerk für Frauen in der Kulturbranche Thu, 06 May 2021 08:14:49 +0000 de-DE hourly 1 https://wordpress.org/?v=5.7.11 “Ich empfinde es als nicht so wichtig bzw. eigentlich eher als unmöglich, mit 20 oder 30 zu wissen, was kommt. Es ist viel spannender, nicht alles planen zu können, und auch mal etwas auszuprobieren.” https://her-arts.de/2021/03/23/sophia-athie-director-of-development-and-external-relations-at-house-of-one/ https://her-arts.de/2021/03/23/sophia-athie-director-of-development-and-external-relations-at-house-of-one/#respond Tue, 23 Mar 2021 13:17:42 +0000 https://her-arts.de/?p=680 "In Berlin wächst seit 2011 etwas weltweit Einmaliges: Juden, Christen und Muslime bauen gemeinsam ein Haus, unter dessen Dach sich eine Synagoge, eine Kirche und eine Moschee befinden. Ein Haus des Gebets und der interdisziplinären Lehre. Ein Haus der Begegnung, für ein Kennenlernen und den Austausch von Menschen unterschiedlicher Religionen. Ein Haus auch für die, die den Religionen fernstehen." 
Wir freuen uns, dass Sophia Athié, Director of Development & External Relations dieses spannenden Projektes für uns Rede und Antwort gestanden hat! Sophia war vorher beim Berliner Ensemble sowie am Städel-Museum Frankfurt in der gleichen Position tätig und ist auch seit mehr als 15 Jahren im Kulturmanagement verankert.

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Sophia Athié — Director of Development and External Relations @ House of One

“Eine Synagoge, eine Kirche und eine Moschee.. Ein Haus des Gebets und der interdisziplinären Lehre. Ein Haus der Begegnung, für ein Kennenlernen und den Austausch von Menschen unterschiedlicher Religionen. Ein Haus auch für die, die den Religionen fernstehen.”

Wir freuen uns, dass Sophia Athié für uns Rede und Antwort gestanden hat! Sophia war vorher beim Berliner Ensemble sowie am Städel-Museum Frankfurt in der gleichen Position tätig und ist auch seit mehr als 15 Jahren im Kulturmanagement verankert.

Sophia, wie geht es Dir in der ungewöhnlichen Situation, in der wir uns aktuell befinden? Wie gestaltet sich die Arbeit im House of One und wie fühlst Du Dich persönlich?

Mir geht es die meiste Zeit prima. Beruflich habe ich sehr viel zu tun aktuell; auch wenn es eher ruhig wirken mag rund um das House of One, da keine Veranstaltungen stattfinden können. Hinter den Kulissen passiert richtig viel: Für Mai ist die Grundsteinlegung des House of One geplant und es gilt, in den nächsten Jahren die restliche Finanzierungslücke von immerhin noch ca. 7 Millionen über Spendengelder zu finanzieren. Wir arbeiten daran, die Fundraisingkampagne weiterzuentwickeln.

Und zur momentanen Arbeitssituation: Ich persönlich habe gute Erfahrungen mit dem Home Office gemacht. Anfangs war es etwas gewöhnungsbedürftig, die Tür auch mal zu schließen, und sich nicht in alles einzumischen. Das war nicht so einfach für mich als berufstätige Mutter. Von zu Hause arbeiten bringt viele Vorteile mit sich. Die Flexibilität der Zeit finde ich sehr hilfreich, und ich genieße es, mehr zu Hause zu sein und die Kinder mehr zu sehen. Und obwohl mein Mann sich weitestgehend um unsere drei Kinder kümmern kann und mir den Rücken freihält, ist natürlich trotzdem oft genug totales Chaos bei uns.

Was gibt Dir Kraft und Energie zurück, wenn Du erschöpft bist als berufstätige Mutter?

Ich meditiere regelmäßig, das ist eine wichtige Energiequelle für mich. Und ich vergegenwärtige mir, wie dankbar und froh ich darüber bin, was man am eigenen Job hat; und dass es überhaupt gelungen ist, im Kulturbereich Fuß zu fassen. Ich habe immer mal wieder Momente, in denen ich denke: Sollte man nicht irgendeinen Job machen, der einen nach Verlassen des Büros auch gedanklich verlässt, denn nach dem Büro abends oder am Wochenende abzuschalten ist nicht meine Stärke. Bei einer anderen Tätigkeit würde mir aber vermutlich der Antrieb fehlen, diese intrinsische Motivation. Also im Grunde ist es der Fokus auf das Positive, woraus ich Energie ziehe. Und die Team-Kolleginnen und Kollegen, die sind einfach ein Geschenk.

 

Gibt es für Dich die perfekte Ausbildung, um im Kulturmanagement Fuß zu fassen? Gibt es bestimmte Skills, die jemand mitbringen sollte?

Ich kann mir nicht vorstellen, dass es für alle die gleiche perfekte Ausbildung gibt, um ins Kulturmanagement einzusteigen. Ich selbst habe internationales Kulturmanagement studiert, und ich muss sagen, für mich war das genau das Richtige. Ich wusste relativ früh, dass ich sehr gerne im Kulturbereich arbeiten wollte, aber ich wusste nicht, ob es in Richtung Theater, Musik oder Museum gehen sollte. Mein generalistisches Studium hat für mich perfekt gepasst. Ich habe später im Theater gearbeitet, bei einem Radiosender, einem Musikfestival, im Museum …und jetzt arbeite ich für ein interreligiöses Projekt. Natürlich wünschte ich mir bei jeder dieser Stationen profundere Kenntnisse von der Materie, um inhaltlich tiefer mitreden zu können. Ich habe meinen Auftrag immer als eine Art Vermittlung verstanden, also zwischen den Inhalten und den Menschen, die sich dafür engagieren, und dafür braucht man eine inhaltliche Grundlage. Mit einer gewissen Neugier und der Bereitschaft sich einzuarbeiten, kommt man aber gut zurecht.

 

Du hast lange Zeit im Ausland gelebt, darunter sieben Jahre in New York. Was hast Du dort gelernt in Bezug auf die Arbeitswelt in der Kulturbranche und zum Thema Work Life Balance?

Ich bin froh, zu der bestimmten Zeit, und in der besonderen Lebensphase in New York gewesen zu sein, in der ich dort war. Ich war 24, als ich zunächst für ein 6‑monatiges Praktikum hingegangen bin. Ich habe New York in einer großen Freiheit erleben dürfen und dort lernen können. Sehr geliebt habe ich die Energie, die man auf den Straßen der Stadt spürt. Genauso im Job: Die Menschen gehen einfach mit einem besonderen Drive an die Sache. Man will etwas erreichen. Dieses Umfeld habe ich dort extrem genossen. Die Leute wissen zu schätzen, was sie haben. Es wird weniger gejammert und es wird nicht behäbig geplant. Man kommt viel schneller in die Umsetzung, ist risikofreudiger und probiert auch mal etwas aus. Andererseits habe ich dort auch das deutsche Sozialsystem sehr zu schätzen gelernt. Dass hier keiner mit der Wimper zuckt, wenn Dein Kind krank ist, zum Beispiel. In den USA ist man viel schneller in einer sehr prekären Lage.

Es hat eben alles zwei Seiten: In den USA wirst Du schneller entlassen, kriegst aber auch eher eine Chance. Als junge Frau erhältst Du einen Job, weil eben keiner davon ausgeht, dass Du demnächst zwei oder drei Jahre in Elternzeit gehst.

 

Machen aus Deiner Sicht Frauen und Männer anders Karriere?

Ja, wir Frauen reden weniger über unsere Erfolge. Es ist noch immer ungewohnter, unser (weibliches) Netzwerk zu unterstützen – etwa bei Anstellungen, weil wir uns fragen, ob es fair ist. Ich glaube, es sind andere Denkweisen, die sich durchaus in beruflichen Situationen bemerkbar machen. Da können wir Frauen ganz viel dazu lernen. Neulich habe ich einen Artikel darüber gelesen, dass bei Männern mehr Resilienz da sei, um mit Ablehnung zurechtzukommen. Das kann ich für den Fundraisingbereich nicht unterschreiben: Da ist es ja gerade unser tägliches Brot, mit Ablehnung zu leben, und trotzdem immer wieder aufzustehen und weiter zu machen. Sensibler an Dinge Herangehen, was viele Frauen auszeichnet, empfinde ich persönlich als besondere Stärke.

Ich denke aber, wir haben noch einen sehr weiten Weg vor uns bis zu einer wirklichen Gleichberechtigung. Man sieht es ja gerade an der Situation jetzt in der Pandemie, dass doch die meiste Arbeit an den Müttern „hängen“ bleibt, wie verschiedene Studien belegen. Wobei ich gerade gestern erfreulich viele Männer mitten am Tag mit Kinderwagen im Prenzlauer Berg hier in Berlin gesehen habe. Da hat sich auf jeden Fall schon etwas getan.

 

Gibt es etwas, was Du jungen Frauen auf den Weg geben möchtest, die eine Karriere im Kulturmanagement anstreben?

Was ich nach fast 20 Jahren Berufserfahrung sagen kann: Netzwerken ist sehr wichtig! Ich will das aber nicht zu strategisch sehen. Man hat ja Kontakt mit den Leuten, weil man sie schätzt und es interessant ist, ihren Werdegang mit zu verfolgen. Ich empfinde es jetzt als riesigen Vorteil, dass ich mittlerweile ein recht großes Netzwerk habe und nun bei bestimmten Problemen kurz überlege, wer mir dabei weiterhelfen könnte. Und dann greife ich einfach zum Hörer.

Außerdem sollte man flexibel bleiben, denn Dinge entwickeln sich oft anders als erwartet. Und man sollte die Chancen sehen, die sich ergeben, wenn eine Tür vielleicht zugeht, eine andere sich aber dafür öffnet. Eine andere Einstellung zum Scheitern zu entwickeln, ist auch sehr hilfreich: Vieles kann man als Lernprozess und Erfahrungsschatz bewerten. Resilienz ist ein wichtiges Stichwort.

 

Wie gehst Du im Job mit Konflikten um? Was ist Dein Ansatz?

Die Perspektive des Anderen einzunehmen: Das versuche ich gerade, mir noch mehr anzueignen. Ich dachte, ich könne das ziemlich gut, habe aber dann gemerkt, dass ich das doch nur bis zu einem gewissen Punkt beherrsche. Auch zu wissen, dass ein Konflikt nicht das Ende einer guten Beziehung bedeuten muss: Ich hatte vor nicht allzu langer Zeit eine schwierige berufliche Situation, in der ich mir nicht vorstellen konnte, dass mein Gegenüber und ich da gut rauskommen. Ich war völlig überrascht, wie wir das nicht nur geschafft haben, sondern es unsere kollegiale Beziehung noch verbesserte. Wir waren danach offener und ehrlicher miteinander, irgendwie reifer.

Auch Lesen, Podcasts, Seminare eignen sich hervorragend, um sich wichtige Skills anzueignen zu Themen wie wertschätzender Kommunikation, Verhandeln oder dazu, wie man konstruktiv Kritik übt. Damit tue ich mich immer schwer; ich möchte eigentlich immer alles gut finden. In Konfliktsituationen hilft durchaus das zunehmende Alter und schlichtweg mehr Lebenserfahrung.

 

Welche Fähigkeiten benötigt man für das Fundraising?

Am Wichtigsten ist das Zuhören und unbedingt auch das zwischen den Zeilen Lesen. Eine gewisse Kreativität halte ich ebenfalls für sehr wichtig in unserem Job, genau wie Fleiß. Spannend finde ich das Spannungsfeld zwischen Detail UND big picture; man muss beides gleichermaßen im Blick haben. Ebenso sind oftmals gegensätzliche Skills gefragt: In der einen Rolle vertrete ich vielleicht die Organisation und fühle mich für die Gäste verantwortlich, trete also extrovertierter, souveräner auf, während ich in anderen Situationen mehr aus dem Hintergrund agiere. Die größeren Zusammenhänge zu kennen und die Fäden zusammenzuhalten, finde ich einen der spannendsten Aufgaben in meinem Beruf. Ich glaube, gute Fundraiser*innen sind oft sehr sensible Menschen, eben weil es so wichtig ist, ein gutes Gespür für Menschen und Situationen zu haben. Das passt wiederum nicht so gut zu der „dicken Haut“, die man sich unbedingt auch zulegen muss. Man denke alleine an die vielen Absagen, die man im Laufe eines solchen Berufslebens so wegsteckt …

 

Wusstest Du mit 20 Jahren, wo Du mit 30 oder 40 Jahren sein wolltest?

Mir war es nicht klar, aber es gab für mich ein Schlüsselmoment. Das war damals direkt nach dem Abi in London. Ich habe quasi den ganzen Tag im British Museum verbracht und eine Führung für junge Leute beobachtet. Da dachte ich mir: „Wow, das ist es. Junge Menschen für kulturelle Themen begeistern. So anschaulich und spannend, wie diese Kunstvermittlerin“. Ich hatte aber damals keine Idee, wie man „dahin“ kommt in diesen Kulturbereich; vermutlich gerade weil ich mich nicht auf die eine Disziplin festlegen wollte. Ich kannte auch diese Studiengänge wie zum Bespiel Kulturmanagement noch nicht. Ich hätte zu Beginn meines Berufseinstiegs jedenfalls nie gedacht, dass ich irgendwann in einem der schönsten Museen in Deutschland arbeiten würde und eine tolle Kampagne mitgestalten darf, um einen neuen Museumsflügel zu finanzieren. Ich sah mich auch nie – typisch weiblich – in einer Führungsposition. Da hat mein Mann viel früher mein Potential für mich gesehen als ich selbst.

Ich empfinde es als nicht so wichtig bzw. eigentlich eher als unmöglich, mit 20 oder 30 zu wissen, was kommt. Es ist viel spannender, nicht alles planen zu können, und auch mal etwas auszuprobieren. Wichtig ist, das Ziel zu kennen: Wenn mein Traumjob im Kulturbereich ist, dann arbeite ich darauf hin, bleibe aber flexibel auf dem Weg. Woher soll ich denn heute wissen, welche Türen für mich in der Zukunft aufgehen werden? Die grobe Richtung zu kennen, und auch nach links und rechts zu schauen, ist meines Erachtens viel wichtiger.

Danke Dir, liebe Sophia!

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Ninja Anderlohr-Hepp https://her-arts.de/2021/02/23/ninja-anderlohr-hepp/ https://her-arts.de/2021/02/23/ninja-anderlohr-hepp/#respond Tue, 23 Feb 2021 13:21:57 +0000 https://her-arts.de/?p=685 Video-Interview mit Ninja Anderlohr-Hepp, Redaktionsleiterin von concerti, dem auflagenstärkste Klassik-Magazin Deutschlands — Ninja sprach mit uns über ihren Berufsweg der Klassikbranche.    

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Video-Interview mit Ninja Anderlohr-Hepp, Redaktionsleiterin von concerti, dem auflagenstärkste Klassik-Magazin Deutschlands — Ninja sprach mit uns über ihren Berufsweg der Klassikbranche.

 

 

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“Karriere beschreibt für mich ein Kontinuum, nämlich dass man an seinen Aufgaben und an sich selbst stetig wächst.” https://her-arts.de/2019/05/14/dr-sylvia-volz-freiberufliche-beraterin-redakteurin-kuratorin-und-coach/ https://her-arts.de/2019/05/14/dr-sylvia-volz-freiberufliche-beraterin-redakteurin-kuratorin-und-coach/#respond Tue, 14 May 2019 10:28:02 +0000 https://her-arts.de/?p=150 Dr. Sylvia Volz - freiberufliche Beraterin, Redakteurin, Kuratorin und Coach

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Dr. Sylvia Volz — freiberufliche Beraterin, Redakteurin, Kuratorin und Coach

 

Wie war Dein Werdegang bisher?

Ich habe Kunstgeschichte und Archäologie in Heidelberg und Köln studiert, und nach meinem Magisterexamen zusätzlich ein Aufbaustudium in BWL an der FernUniversität Hagen absolviert. Erste berufliche Erfahrungen sammelte ich im Auktionshaus Christie’s und in einer Galerie für zeitgenössische Kunst, bevor ich mich einige Jahre später als Kunstberaterin und Redakteurin selbständig machte. Daneben promovierte ich im Fach Kunstgeschichte. Um mein Tätigkeitsfeld zu erweitern, habe ich 2016 eine Ausbildung zum kinesiologischen Practitioner im Bereich Energy Psychology (EDxTM™, Energy Diagnostics and Treatment Methods) sowie mehrere Fortbildungen absolviert.

 

Wie lange bist Du schon in Deiner jetzigen Position? Wie bist Du dorthin gekommen?

Seit 2009 bin ich als selbständige Kunstberaterin tätig. Dieser Schritt ergab sich aus meinem Wunsch, freier arbeiten und neue Projekte mit unterschiedlichen Akteuren interdisziplinär konzipieren und umzusetzen zu können.

 

Was beinhaltet Dein aktueller Job?

Im Wesentlichen die Beratung von Kunstsammlern bei An- und Verkäufen sowie die Chefredaktion des BMW Art Guide by Independent Collectors, des ersten globalen Führers zu privaten, öffentlich zugänglichen Sammlungen zeitgenössischer Kunst. Darüber hinaus coache ich mithilfe kinesiologischer Methoden zum Thema Potentialentfaltung.

 

Welches musikalische/künstlerische Ereignis hat Dich nachhaltig geprägt?

Das sind in der Tat viele. Insbesondere Konzerte – querbeet durch (fast) alle Stile von klassisch bis elektronisch – sind für mich eine nie versiegende Inspirationsquelle. Was die bildende Kunst betrifft, so faszinieren mich v.a. Künstler, die ihre Arbeiten mit Performance kombinieren, mit der Wahrnehmung des Betrachters spielen und in den Raum mit einbeziehen – so z.B. Donna Huanca, deren Ausstellung ich 2016 in der Zabludowicz Collection gesehen habe. Doch auch Gemälde von Altmeistern können inspirierend sein!

 

Welche war die größte (berufliche) Hürde für Dich bisher?

Der Schritt, in die Selbständigkeit zu gehen sowie meine nebenberufliche Promotion.

 

Was hättest Du gerne schon am Anfang Deiner Karriere gewusst? Was würdest Du rückblickend anders machen?

Heute würde ich schneller auf den Zug der Digitalisierung aufspringen. Gerade zu Beginn meiner beruflichen Tätigkeit war ich noch sehr auf den „traditionellen“ Weg eines studierten Kunsthistorikers fokussiert, während mich heute vor allem die Möglichkeiten faszinieren, die sich jenseits der Grenzen einzelner Disziplinen ergeben. Doch letztlich sind dies Erfahrungswerte, an denen man wächst. Wichtig hierbei war für mich eine regelmäßige Reflexion: Ist dies der Ort, an dem ich bleiben möchte bzw. – wenn nicht (mehr) – wohin will ich?

 

Wer waren Deine Mentoren oder Vorbilder?

Einen Mentor hatte ich nie, hätte ich aber gerne gehabt. Was meine Vorbilder betrifft, so haben sich diese im Lauf der Zeit sehr geändert: Zu Beginn waren es v.a. Persönlichkeiten, die es in der Kunstwelt weit gebracht haben (Künstler, Sammler, Galeristen etc.). Heute fasse ich den Begriff „Vorbild“ wesentlich weiter und tendiere als Bezeichnung eher zu „Inspirationsquelle“: Menschen, die weit über den Tellerrand hinausschauen, visionär über Grenzen hinaus denken und arbeiten, nachhaltige Unternehmen gründen etc.

 

Welche Tools nutzt Du, um organisiert zu bleiben?

Für die Organisation meiner Projekte verwende ich Asana. Darüber hinaus hole ich mir wertvolle Tipps & Tools bei she-preneur, einer großartigen Plattform für selbständige Frauen und Gründerinnen.

 

Wie und wo tankst Du Kraft und Energie?

Kraft tanke ich im regelmäßigen Rückzug in die Natur, Musik, Bewegung und Meditation. Darüber hinaus versuche ich, mir alle 1–2 Jahre eine Auszeit von 4–6 Wochen einzurichten, die ich im Ausland verbringe.

 

Wie siehst Du die Position der Frauen in der Branche?

Dabei denke ich insbesondere an Künstlerinnen, die es im Vergleich zu ihren männlichen Kollegen – bis auf wenige Ausnahmen – immer noch sehr schwer haben, dasselbe Renommee zu erlangen. Hierfür ließen sich endlos Beispiele anführen.

 

Was war Dein erster Job? Inwiefern waren Deine früheren Jobs für Deine jetzige Position hilfreich?

Meinen beruflichen Start hatte ich beim Auktionshaus Christie’s, wo ich als stellvertretende Repräsentantin der Niederlassung Berlin tätig war. Rückblickend sehe ich, dass ich in meinen früheren Jobs überaus wertvolle Praxiserfahrung habe sammeln können, nachdem das zuvor absolvierte Studium doch sehr trocken und theorielastig ausgerichtet war. Ich durfte meinen Blick schärfen und unternehmerisches Denken lernen.

 

Welche Faktoren waren rückblickend entscheidend für Deinen Erfolg?

Die kontinuierliche Auseinandersetzung mit der gesamten Bandbreite an unterschiedlichsten Charakteren, die sich in der Kunstwelt finden.

 

Wie gehst Du mit Konflikten um?

Ich versuche möglichst, einen Konflikt zu abstrahieren, ihn nicht persönlich zu nehmen, sondern dissoziiert zu betrachten. Dies schafft Raum und in dieser Distanz sieht man vieles klarer – beispielsweise die Ursache, die den Konflikt ausgelöst hat. Der Grund hierfür liegt ja oftmals viel tiefer.

 

Warum hast Du beschlossen, Dein eigenes Unternehmen zu gründen / Dich selbständig zu machen?

Hierfür gab es zwei Gründe: zum einen der Wunsch, meine Dissertation, mit der ich direkt nach dem Magisterexamen begonnen hatte, abschließen zu können; zum anderen um frei zu sein für neue Projekte, Ideen, Richtungen, Fortbildungen, jenseits der Grenzen einer Galerie o.ä.

 

Was ist Dir bei der Auswahl von neuen Mitarbeitern/Mitarbeiterinnen wichtig?

Zuverlässigkeit, Mitdenken, Reflexions- und Kommunikationsfähigkeit, Teamgeist.

 

Worauf sollte Deiner Meinung nach in der Ausbildung mehr Gewicht gelegt werden?

Auf die Entwicklung und Festigung der eigenen Persönlichkeit und v.a. auf die Schärfung der eigenen Intuition. Wir alle neigen viel zu sehr zur Verkopfung.

 

Machen Frauen anders Karriere als Männer?

Frauen sind in der Regel noch immer sehr viel zurückhaltender, selbstkritischer und bremsen sich damit selbst aus.

 

Was bedeutet “Karriere” für Dich? Was willst Du erreichen?

Karriere beschreibt für mich ein Kontinuum, nämlich dass man an seinen Aufgaben und an sich selbst stetig wächst. Viel interessanter und inspirierender als ein Titel ist für mich der Charakter eines Menschen, seine Reflexionsfähigkeit, seine Kreativität und sein Umsetzungsvermögen. In diesem Sinne möchte ich weitergehen, indem ich Dinge neu verknüpfe und dadurch Mehrwert schaffe.

 

Wie triffst Du Entscheidungen?

Mehr und mehr nach meinem Bauchgefühl, auf das ich mich immer verlassen kann.

 

Sollte man versuchen, die eigene Karriere von Anfang an zu “planen”? Geht das überhaupt?

Ich denke, das ist eine sehr individuelle Entscheidung. Als ich nach dem Studium in die Berufswelt einstieg, war ich der festen Überzeugung, mein Platz wäre für immer und ewig in der Auktionswelt. Häuser wie Christie’s und Sotheby’s sind sehr große, international operierende Unternehmen, in denen man eine schier unendliche Anzahl an verschiedenen Stationen durchlaufen, und sich dabei immer weiter emporarbeiten kann. Nach einiger Zeit beschloss ich für mich jedoch, dass dies nur eine Station auf meinem Weg sein sollte, und es war an der Zeit weiterzuziehen. Ich empfinde es als großes Privileg (zugleich auch als immense Herausforderung) unserer Zeit, mit wachsender Erfahrung immer wieder von neuem zu hinterfragen, was zum aktuellen Lebens- und Wertemodell passt. Hierbei stets hilfreich: das Why nicht aus den Augen zu verlieren – Warum mache ich das?

 

Wie macht man am besten die richtigen Leute auf die eigenen Fähigkeiten aufmerksam?

Das ist eine sehr komplexe Frage, die auf verschiedenen Ebenen beantwortet werden kann. Als einen essenziellen Weg, die richtigen Leute auf die eigenen Fähigkeiten aufmerksam zu machen, empfinde ich das Netzwerken/Gespräch suchen.

 

Bist Du eher Teamarbeiter oder Einzelkämpfer?

Ich persönlich bin kein Freund des Begriffs „Einzelkämpfer“, da ich meine Arbeit nicht als „Kampf“ betrachte. Selbst im Rahmen von Soloprojekten gibt es immer Kooperationen, etwa mit Institutionen, Sammlern, Kollegen, Transporteuren o.ä. Genau das macht die Arbeit so schön und abwechslungsreich, und im Grunde ist dies zugleich die Antwort auf die Frage: Ich würde mich definitiv als Teamarbeiter bezeichnen.

 

Was macht Dir in deiner Arbeit Spaß, was eher nicht?

Ich liebe es, mit verschiedenen Leuten in Kontakt zu sein – dies war auch einer der Hauptgründe, warum es mich nach dem Studium in den Kunsthandel gezogen hatte. Fast nirgendwo ist die Dichte an unterschiedlichen Charakteren so groß wie dort. Diese Begegnungen finde ich nach wie vor faszinierend, insbesondere in der Zusammenarbeit. Kritisch finde ich die oftmals negativen Verhaltensmuster, die aus dem immer weiter steigenden Erfolgsdruck im Kunstmarkt resultieren.

 

Wie wichtig ist Networking? Betreibst Du das bewusst oder ergibt es sich eher von selbst?

Glücklicherweise ist mir die Fähigkeit zum Networken quasi in die Wiege gelegt worden, ist es doch wesentlicher Bestandteil meines Berufs.

 

Wie war es für Dich, als Du das erste Mal Chef von jemandem warst und anderen Leuten sagen konntest, was sie tun sollen?

Ich hatte großen Respekt vor der Verantwortung, die diese Position mit sich bringt, nämlich die Mitarbeiter zu fördern und individuell weiterzuentwickeln, mit ihren Stärken und Schwächen. Nicht zuletzt stellte auch das Delegieren von Aufgaben zunächst eine Herausforderung dar.

 

Welche Klischees über Frauen (und Männer) stimmen, und welche stimmen nicht?

Frauen neigen immer noch dazu, sich unter Wert zu verkaufen, während Männer oftmals ihre Fähigkeiten realistisch sehen oder sogar höher einschätzen. Darüber hinaus denke ich, ist durchaus etwas dran an dem Klischee, dass Frauen alles in allem etwas mehr multitasking-fähig sind, während Männer wiederum den „Tunnelblick“ beherrschen. Völlig überholt hingegen ist das Klischee, Frauen seien weniger belastbar.

 

Welchen Rat würdest Du Berufseinsteigern geben?

Sich nicht mit minutiös geplanten Karriereschritten unter Druck zu setzen, sondern diese viel eher als mögliche Optionen zu erachten – und einfach offen zu sein für das, was kommt.

 

Photo credit: Marcel Kloppenburg

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“Tradition ist ja nicht nur das Aushängeschild. Sie sollte innerhalb des Unternehmens gelebt werden.” https://her-arts.de/2019/05/14/ute-fesquet-vice-president-deutsche-grammophon/ https://her-arts.de/2019/05/14/ute-fesquet-vice-president-deutsche-grammophon/#respond Tue, 14 May 2019 10:27:20 +0000 https://her-arts.de/?p=148 Ute Fesquet - Vice President Deutsche Grammophon

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Ute Fesquet — ehemals Vice President, jetzt Senior Executive Producer & Management Consultant bei Deutsche Grammophon/Universal

 

 

Erzähl uns von Deinem beruflichen Werdegang…

Als sich meine Schulzeit dem Ende näherte, wusste ich eigentlich nur, was ich nicht wollte: In die Fußstapfen meiner Eltern, Großeltern und Urgroßeltern treten, die Lehrer, Kantore und Musiklehrer waren.  „Was willst du denn dann eigentlich?“, fragte ich mich. Fest stand: Ich wollte unbedingt etwas mit klassischer Musik zu tun haben. Ich komme aus einer Gegend, in der es nicht gerade ein Überangebot an klassischer Musik gab, aber ich habe alles, was es gab, aufgesogen wie ein Schwamm. Ich habe gesungen, seitdem ich denken kann, und Cello gespielt; für mich war das eine totale Mission, diese Begeisterung weiterzutragen. Ich konnte nicht verstehen, warum andere nicht ebenso fasziniert von dieser Musik sind. Zuerst hatte ich die Idee, Musikkritikerin zu werden. Das müsse doch ein toller Job sein, weil man einfach immer Konzerte besuchen kann. Außerdem schrieb ich sehr gerne, da könnte man zwei tolle Sachen miteinander verbinden. Bei einer Lokalzeitung wurde ich total ins kalte Wasser geschmissen und musste alles Mögliche machen. Eine Tageszeitungsredaktion ist ein ziemlicher Durchlauferhitzer. Du eignest dir etwas an und gibst das weiter, ohne das viel hängen bleibt, und dann bist du schon wieder beim nächsten Thema.

Dann habe ich dem Drängen meiner Eltern nachgegeben: Ich suchte mir Fächer aus, über die ich gerne mehr wissen wollte, habe Geschichte, Kunstgeschichte und Musikwissenschaft studiert und die Gelegenheit im Studium genutzt, das weiterzumachen, was ich schon gemacht habe, nämlich zu schreiben. Aber ich habe mich auch umgeguckt, welche Arbeitsbereiche sonst noch mit Musik zu tun haben, und festgestellt, dass es eine Riesen-Spielwiese ist. Ich war da natürlich als Studentin auch in Hamburg am richtigen Ort und konnte bei der Deutschen Grammophon anfangen. Dann war ich in Wien und habe bei Universal Edition wirklich noch in der Notenstecherei ein Praktikum gemacht; obwohl das alles schon Fotosatz war, hieß es noch so. Ich habe auch im Burgtheater in der Dramaturgie gearbeitet und einfach verschiedenste Möglichkeiten genutzt, meinen Horizont zu erweitern. Ich wusste ganz sicher, dass ich keine Kulturwissenschaftlerin sein will, die ihr Dasein in Bibliotheken fristet, und so habe ich schon während des Studiums die meiste Zeit nebenberuflich in Bereichen gearbeitet, die mit dem zusammenhängen, was ich heute noch tue.

Letzten Oktober hatte ich mein zwanzigjähriges Dienstjubiläum bei der Deutschen Grammophon. Das ist eine Reise mit vielen verschiedenen Stationen gewesen. Als ich neulich mit Kollegen auf mein Jubiläum angestoßen habe, wurde ich gefragt, woher das kommt, dass ich immer noch so für klassische Musik brenne. Ich hatte mein Leben lang eine starke emotionale Bindung dazu. Manchmal ist das auch ein Fluch, aber überwiegend ein Segen. Es ist heute geradezu anachronistisch, aber wiederum auch nicht untypisch, wenn man so früh wie ich in so einem Unternehmen arbeitet, wo eigentlich alles zusammenpasst – also die Werte, das Thema und mein Drang, irgendwie der Routine zu entfliehen. Wenn man es ein bisschen abstrahiert, zieht sich also ein roter Faden durch meinen Karriereweg. Ich hatte durch meine unterschiedlichen Tätigkeitsbereiche – Marketing, Künstlerbeziehung, Produkt, und dann die Königsdisziplin A&R (Artists & Repertoire) – immer eine universelle Perspektive, was ich toll fand. Man sagt ja immer, Musik sei eine globale Sprache, aber es ist interessant zu sehen, dass das Produkt dann eben doch nicht so global ist, wie man manchmal denkt. Natürlich sind unsere Künstler musikalisch überall unterwegs, aber das bedeutet nicht, dass in Japan das Gleiche gefragt ist wie in den USA.
Bei der Deutschen Grammophon entdecken wir Repertoire wieder und beleuchten es neu. Die Künstler, die wir unter Vertrag haben, sehe ich als Sonderbotschafter, die da draußen unterwegs sind, und die die Begeisterung für Musik mit anderen teilen. Egal, in welcher Generation Sie sind – ob Sie mit jungen Leuten in der Ausbildung arbeiten oder ob Sie selbst ganz jung sind und sagen, ich lasse alles andere sausen, ich habe mein Instrument und meine Berufung. Ich finde, das ist ganz toll!

 

Gab es auf Deinem Karriereweg Vorbilder oder Mentor*innen?

Ja, die gab es immer: Zunächst war da der Chefredakteur der Zeitung, bei der ich als werdende Musikkritikerin ein Praktikum gemacht hatte. Er sagte „So, jetzt setzen wir uns mal hin und unterhalten uns über Journalismus.“ Er hat gesehen, dass ich Talent habe zum Schreiben und vor allem ein Gespür für Geschichten, für Persönlichkeiten, für Begegnungen. Und er war sehr direkt, manchmal auch sehr herausfordernd, gab mir aber immer das Gefühl, dass ich aufpassen muss, dass ich meine Zeit nicht verschwende, nur weil jemand etwas von mir erwartet. Auch einige ältere Kolleginnen und Kollegen haben mir Wichtiges vorgelebt.
Aber die nächste wirklich prägende Person in meinem beruflichen Leben war Sabine Max, die Leiterin des deutschen Markts, als ich bei der Deutschen Grammophon angefangen habe. Vor ihr hatte ich einen Heidenrespekt. Sie war super „tough“, wie man sich Frauen in einer sehr männlich geprägten Branche vorstellt. Auf jeden Anruf mit ihr, um Ideen für unser Repertoire zu besprechen, habe ich mich akribisch vorbereitet. Und dann wählte ich ihre Nummer, und nach einem halben Satz war mein Papier überflüssig und sie hat mir die Geschäftswelt erklärt. Sie hat mir nicht alles um die Ohren gehauen, aber mir gesagt, welche Fragen ich mir stellen muss. Das war wirklich eine Herausforderung im konstruktiven Sinne. Jedes Mal habe ich etwas mitgenommen. Später wechselte sie zum Label und war da internationale Marketingchefin. Sie stellte mir dann Künstler vor und hat mich regelrecht gecoached. Dabei war sie überhaupt nicht zimperlich. Ich war manches Mal am Boden zerstört, weil etwas nicht funktioniert hatte oder mir jemand einen Stuhl vor die Tür stellen wollte. Ich glaube, sie schätzte diese Emotionalität und das Einfühlungsvermögen an mir, aber gleichzeitig vermittelte sie mir, dass ich mir einen Schutzmantel zulegen muss, wenn ich in der Branche überleben will.

Ihr Nachfolger als Präsident, Michael (Lang), hat mich auf ganz andere Weise sehr gefördert. Als Amerikaner hatte er eine für mich neue Herangehensweise. Er sagte in einem Personalgespräch zu mir „I consider you as managing material“. Das war überraschend, denn ich bin kein Machtmensch in dem Sinne, dass ich Macht für mein persönliches Fortkommen eingesetzt hätte. Mir geht es um die Sache, ich bin ein Überzeugungstäter. Ich kann jedoch zäh, hartnäckig und sehr beharrlich sein, wenn ich von etwas überzeugt bin, und möchte gestalten. Ich habe den Willen, meine Überzeugung mit anderen zu teilen und klarzumachen, warum sie mit mir gehen müssen. Ich mache das auf meine Art, und nicht mit der Faust auf dem Tisch. An meinem Job fasziniert mich, dass es keine Wiederholung gibt und die Arbeit geprägt ist von ständiger Innovation. Das war auch persönlich immer ein Antrieb. Was kommt als Nächstes? Ich habe bei der Deutschen Grammophon angefangen als Produktmanagerin, wo tolle Produkte entstehen. Allein in meinem Bekanntenkreis hatte ich jedoch das Gefühl, dass die meisten nichts davon mitkriegen. Deshalb wollte ich doch wieder stärker an die Stelle, wo solche Sachen vermittelt und weitergetragen werden – ins Marketing. Als ich dies mit meiner Chefin Sabine Max besprach, guckte sie mich an und sagte: „Ich hasse dich – und du hast vollkommen recht, du musst gehen! Das ist genau die Schnittstelle.“ Diesen Motor, der Wunsch, etwas und natürlich auch sich selbst zu verändern, hat später dann Michael erkannt und für neue Herausforderungen gesorgt.

Im Bereich A&R ging dann wirklich alles sehr schnell, sogar ein bisschen zu schnell. Nach eineinhalb Jahren dort fragte er mich, ob ich den Bereich leiten könnte, ob mir das Spaß machen würde. Der Wechsel vom Head of International Marketing zu A&R war rein hierarchisch ja ein Schritt zurück gewesen; aber ich hatte überhaupt kein Problem, ins Glied zurückzutreten, und fand es ganz gut, die politischen Dinge in so einem Konzern außen vor lassen zu können. Auf der neuen Stelle als Executive Producer war ich nun sozusagen Unternehmerin im Unternehmen. Da ist man recht autark. Für mich war diese neue Aufgabe, schließlich die Leitung der Künstler- und Repertoirebereiche zu übernehmen, großartig, unter anderem ein Team zusammenzubauen, und nach Berlin mit einem neuen Team zu wechseln – das hat großen Spaß gemacht.

 

Wie hast Du Deine erste Position als Chefin erlebt, das Anleiten von Mitarbeiter*innen und so weiter?

Das ist ein Prozess des Hineinwachsens und Lernens. Einige Kolleginnen und Kollegen waren schon viele Jahre dabei und dachten sicher: „Ich weiß, wie das geht, und jetzt setzen die mir jemanden vor, der aus dem Marketing kommt.“ Das war nicht so einfach, und damit muss man auch umgehen können. Ich war als Journalistin, Musikwissenschaftlerin und Produktmanagerin in dem Bereich erstmal „artfremd“; so etwas macht mir großen Spaß, mir neue Zusammenhänge zu erschließen. Das ist bis heute so. Auch im A&R geht es um Begegnungen, es geht darum, Konstellationen herzustellen, die funktionieren können. Wenn ich merke, dass Leute gut miteinander können und sich gegenseitig verstärken, ist das ein großes Glücksgefühl, und diese Motivation kam mir auch als Vorgesetzte zugute. Der Teamgedanke ist mir total wichtig – ich finde es toll, wenn Leute einen unterschiedlichen Erfahrungshorizont haben, verschiedene Interessen, auch verschiedene kulturelle Hintergründe. Personalführung, Personalentwicklung – das macht mir nach wie vor Spaß.
Lediglich die Frequenz, in der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wechseln, ist auf manchen Positionen problematisch. Da muss man dann aufpassen, dass man nicht auslaugt, wenn man ständig wieder bei null anfängt und die Konstante sein muss.

 

Woran liegen diese vielen Wechsel heutzutage?

Ich glaube, es gibt verschiedene Gründe. Zum einen hat sich die Einstellung zum Berufsleben grundlegend geändert. Erst vor einigen Tagen saß ich mit Kolleginnen zusammen, die schon länger im Amt sind. Eine von ihnen erzählte, sie gehe manchmal von ihrem Büro im sechsten Stock durch die Abteilung nach unten, und um halb sieben sei da kein Mensch mehr anzutreffen. Das heißt natürlich nicht, dass die Mitarbeiter dort nicht arbeiten, aber bei uns war das eher so, dass wir um sieben überlegt haben, was wir zum Abendessen organisieren. Und von dort aus ging es dann zu irgendwelchen Konzerten und morgens waren wir zum Frühstück wieder da. Wir haben auch miteinander gelebt. Das hat sich verändert, weil man mit seinen Gerätchen heute von jedem Ort der Welt aus tätig sein kann und auch im Austausch ist. Ich will das überhaupt nicht werten, aber es stärkt nicht so sehr das Wir-Gefühl, wenn man als Einzelkämpferin der Kollegin nebenan per E‑Mail noch eine Schippe drauflegt, statt kurz den Kopf um die Ecke zu stecken und zu sagen: „Kann ich dich kurz was fragen?“
Das hat die Qualität des Arbeitens stark verändert und wahrscheinlich auch das Bedürfnis geweckt, Grenzen zu ziehen.

Zum anderen gibt es aus budgettechnischen Gründen viel öfter befristete Stellen, weil die Entwicklung nicht vorhersehbar ist. Im gesamten Medienbereich ist ja durch die Digitalisierung ein gigantischer Transformationsprozess ins Rollen gekommen, der diese Dualität mit sich bringt: Einerseits wollen und müssen wir das Neue tun, andererseits können und dürfen wir das Alte aber nicht lassen, weil das immer noch der Ast ist, auf dem wir sitzen. Das macht zum Beispiel die Arbeit eines Produktmanagers irre komplex. All diese Faktoren führen dazu, dass es zwar ein spannender Job in einem fantastischen Umfeld ist, die Leute aber irgendwie weiterziehen müssen, wenn sich nicht unmittelbar im Unternehmen etwas ergibt.
Mich beschäftigt das, denn eine etablierte Marke wie die Deutsche Grammophon – wir sind inzwischen 120 – lebt auch von den Menschen, die mit ihr verbunden sind. Und das sind nicht nur die Künstler, das sind eben auch Urgesteine unter den Kolleg*innen, die Jahrzehnte dabei sind.

 

Tradition ist ja nicht nur das Aushängeschild. Sie sollte innerhalb des Unternehmens gelebt werden.

Genau, diese beiden Pole – Tradition und Innovation. Jedoch sind die vielen Wechsel heute auch gar keine Schande. Als ich in den Beruf startete, gerade als Beamtentochter, suchte man eine Lebensstellung. Ich fand das Wort damals schon furchtbar, ich wollte keine Lebensstellung. Das klingt so nach „lebenslänglich“, als wäre man dann gefangen und dürfte nicht mehr raus. Aber auf jeden Fall wären Stellenwechsel im zweijährigen Rhythmus für den Lebenslauf nicht so toll gewesen. Heute muss man sich einen Lebenslauf natürlich sehr genau anschauen, weil vieles nur so aufgeplustert ist und eigentlich gar nichts heißt. Oft rate ich Mitarbeiter*innen, die sich weiterentwickeln möchten, aber auch zu gehen, um wiederzukommen. Intern gibt es durchaus Beispiele von Kolleginnen und Kollegen, die nach einem Ausflug wieder zurückkommen und neue Erfahrungen mitbringen. Das finde ich gar nicht so verkehrt.

 

Das Thema Work-Life-Balance ist heute viel präsenter, was ja nicht unbedingt schlecht ist. Früher war es ganz normal, aus seiner Agentur nicht vor neun wegzukommen…

Ja, das bewundere ich. Gerade wenn man die Ambition hat, die Arbeit mit einer Familie zu verbinden, geht das gar nicht anders. Ich hatte das Glück, mir durch meine Flexibilität einen gewissen Kredit zu erwerben, so lange ich noch keine Familie hatte. Deshalb kann ich den Schwerpunkt jetzt bewusst anders setzen, wenn auch nur bis zu einem gewissen Punkt. Das hat viel mit dem Arbeitsumfeld zu tun. In meinem Team zum Beispiel sitzen zwei Produzentinnen, die beide 75% arbeiten. Die eine hat ein ganz kleines Kind, die andere hat zwei Schulkinder. Beide sind nicht alleinerziehend, dennoch würde es mit einer Vollzeitstelle so nicht klappen. Da kommt wieder der Teamgedanke zum Tragen.
Vor allem bei Frauen, auch bei mir selbst, beobachte ich dieses starke Pflichtbewusstsein, sowohl auf der beruflichen als auch auf der familiären Seite, und diesen großen Anspruch an sich selbst, an dem man eigentlich nur scheitern kann: Wir wollen beidem total gerecht werden – eine tolle Mama sein, die eben nicht einen 80-Wochenstunden-Job hat, und gleichzeitig super erfolgreich im Beruf. Plötzlich können banale Dinge das persönliche Scheitern bedeuten: Das Kind bringt aus der Kita irgendwelche Viren mit und Sie werden krank, und zwar so krank, wie Sie es wahrscheinlich in Ihrem ganzen Leben davor nicht waren. Sie müssen halblang machen, und keiner nimmt darauf Rücksicht. Die Arbeit wird weiterhin einfach abgeladen und Sie müssen sich damit auseinandersetzen, sonst bleiben Sachen liegen und unbeantwortet.
Eine Struktur zu schaffen und zu haben, die so etwas auffangen kann, das ist eine große Herausforderung. Ich bin mir auch nicht sicher, wie gewünscht das in der Unternehmenskultur tatsächlich ist. Ich bin ein bisschen stolz darauf, dass es in meinem Werdegang mit Sabine Max eine zentrale Frauenfigur gab. Die war natürlich eine Ausnahmeerscheinung, doch hat sie mir immer vermittelt: „Macht halt und nehmt einfach das Heft in die Hand! Zeigt, dass ihr das könnt und dass es geht und versucht nicht irgendwie, das mit den Mitteln zu tun, mit denen eure Sandkastenkollegen mit den Förmchen um sich schmeißen – macht euer Ding.“ Nicht von wegen, „wir sind benachteiligt und man lässt uns nicht.“ Das war bei allen Kolleginnen so, um die sie sich gekümmert hat, nicht nur bei mir, und das ist eine wichtige Botschaft.

Kritisch betrachtet hatte die Deutsche Grammophon in ihrer 120-jährigen Geschichte noch nie eine Präsidentin. In der obersten Position waren immer Männer. Doch sind inhaltlich relevante Positionen wie meine auch vor mir schon von kompetenten Frauen besetzt gewesen. Ich habe das Gefühl, die Dinge mitgestalten zu können, die mir wichtig sind. Ich kann dazu beitragen, dass wir glänzen und gut aussehen. Aber in so einem Konzern unternehmenspolitisch arbeiten zu wollen, ist eine Entscheidung. Ob man das will, fragt man sich im Verlauf der Karriere nicht nur einmal. Und in gewissen Momenten muss man seinen Hut auch wirklich in den Ring werfen.

 

Hattest Du Dir diese Führungsposition jemals gewünscht, oder war das nicht erstrebenswert?

Bei einem Label ist das A&R einfach der wichtigste Bereich, die Keimzelle und das Zentrum der gesamten Aktivitäten. Durch die Verbindung mit der Operating Company, also der Vertriebsgesellschaft, hat sich das etwas verändert. Wir sind heute stärker mit dem deutschen Markt als mit allen anderen verbunden, was andere Aufgaben für den Präsidenten der Deutschen Grammophon mit sich bringt, wie die Verantwortung für die Vermarktung von Veröffentlichungen der weiteren Klassiklabel sowie Jazz. Hierfür würde mir wahrscheinlich die direkte Erfahrung im kommerziellen Geschäft fehlen. Ich war ja immer Teil der Repertoire-Gesellschaft, die natürlich auch die Voraussetzungen dafür schaffen muss, dass Umsätze gemacht werden können. Jedoch wollte ich immer möglichst nah am Produkt, an der Produktion, sein, so dass es letztlich eher eine fachliche Überlegung war. Wie auch bei einem Festival müssen Sie sich entscheiden: „Möchten Sie Intendant sein oder kaufmännischer Geschäftsführer?“ Meine Entscheidung basierte weniger auf der Frage, ob ich mir das zutraue, sondern war vielmehr inhaltlicher Natur.

 

Gibt es in Deinen Augen bei Frauen entscheidende Fähigkeiten oder Eigenschaften, um im Kulturmanagement und explizit im Bereich Label voranzukommen?

Ich glaube, es ist kein Zufall, dass manche Frauen, wie auch ich, in dieser Position sind. Dieses Hartnäckige und diese Belastbarkeit, die Einstellung, dass Sachen irgendwie gemacht werden müssen, auch wenn es in dem Moment zu viel ist; das ist eine Einstellung, die erfolgreiche Frauen gemein haben, und ich könnte mir vorstellen, dass das eine wichtige Fähigkeit ist. Eine Schlüsselkompetenz ist außerdem Kommunikation. Auch aktives Mitdenken und vernetztes Denken; im Blick haben, was um einen herum passiert, um die eigene Arbeit, aber auch Trends vorausschauend einordnen zu können – solche Stärken werden klischeehaft Frauen zugeordnet. Letztlich geht es um eine gewisse Flexibilität im Denken und Handeln.

 

Gibt es etwas, das Du auf Deinem beruflichen Weg anders gemacht hättest, hättest Du Dein heutiges Wissen bereits zu Beginn Deiner Laufbahn gehabt? Und welchen Rat würdest Du heutigen Berufsanfängerinnen mit auf den Weg geben?

Über dieses Thema rede ich derzeit viel mit meiner Tochter und meinen heranwachsenden Patenkindern, drei Mädchen. Ich weiß nicht warum, aber für Frauen sind Karriere und Familie immer noch schwer unter einen Hut zu bringen. Das verändert sich gerade etwas. Meine Eltern haben immer gesagt: „Wir glauben an dich, wir investieren in dich, du sollst unabhängig werden.“ Bei meiner Mutter ging das soweit, dass sie sogar gesagt hat: „Von mir aus musst du keine Kinder in die Welt setzen, sieh zu, dass du einen tollen Beruf findest.“ In unserer Generation war es schon üblich, alles nur auf eine Karte zu setzen. Du bildest dich aus, du investierst, das tust du nicht, um einen Kinderwagen durch die Gegend zu schieben. Und wenn die Kinder mit 16 sagen „Alles klar, ich komme allein zurecht“ – was dann?

Ich würde Frauen heute ermutigen, Beruf und Familie von Anfang an gemeinsam zu denken – nicht eins nach dem anderen. Im Idealfall ist das keine Aufgabe, die man alleine bewältigen muss, sondern meistens gibt es ja auch noch einen Vater zu diesen Kindern. Dass man das mit einer größeren Selbstverständlichkeit mit in das Berufsleben hineinnimmt, und dass man sich auch das Territorium dafür erkämpft, das wünsche und rate ich jungen Frauen – es soll kein „Entweder-oder“ sein, sondern ein „Sowohl-als-auch“ sein. Speziell in Deutschland ist Universal zum Beispiel ein Arbeitgeber, der dafür steht, Möglichkeiten zu schaffen. Da gibt es Teilzeitarbeit und eine Kita. Es gibt auch Beratung und Coachings, gerade auch zur Burnout-Prävention, die praktisch kostenfrei Universal-Mitarbeiter*innen und deren Familien angeboten werden. Das ist ein ganz tolles Angebot, das auch sehr gut angenommen wird.

 

Das ist in der Kulturbranche ja ein totales Unikat.

Ja, das muss man schon sagen. Gestern Abend war ich erst in einem Konzert mit zwei jungen Kolleginnen. Um elf Uhr habe ich mich verabschiedet, weil ich heute Morgen einen französischen Austauschschüler abholen musste. Und dann haben sie gesagt: „Ute, für uns bist du so eine richtige Anchor Woman. Wir wissen nicht genau, wie du das schaffst, mit Familie und diesem Wahnsinns-Job, aber es ist eine tolle Botschaft, dass das geht, und auch, wie du das machst.“ Man sollte es einfach machen. Und ich glaube, je selbstverständlicher und selbstbewusster man damit auftritt, ohne dass man dieses „Mutter sein“ total vor sich herträgt, desto besser funktioniert es. Mir wurde eher mit Respekt und Anerkennung begegnet als mit Unverständnis. Ich habe aber auch erlebt, dass der Säugling alle zwei Stunden zum Stillen vorbeigebracht und in der Teeküche gewindelt wurde, was bei Kolleginnen und Kollegen das Klischee bestätigt, die frisch gebackene Mutter hätte nichts anderes im Kopf.
An dieser Stelle musste auch ich ab und zu mit dem ganzen Rückenwind meiner Familie sagen: „Tut mir leid, Leute, das müsst ihr ohne mich machen – ich muss da jetzt Flagge zeigen.“ Denn sonst heißt es ganz schnell, ich hätte jetzt andere Prioritäten. Wieso sollte ich andere Prioritäten haben? Das Leben als Ganzes ist eine Priorität.

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“Wir sollten alle mit unseren Leistungen überzeugen, nicht mit unserem Geschlecht.” https://her-arts.de/2019/05/14/yori-schultka-ausstellungsplanung-und-projekt-kunst-natur-am-mfn-berlin/ https://her-arts.de/2019/05/14/yori-schultka-ausstellungsplanung-und-projekt-kunst-natur-am-mfn-berlin/#respond Tue, 14 May 2019 10:26:28 +0000 https://her-arts.de/?p=145 Yori Schultka - Ausstellungsplanung am Museum für Naturkunde Berlin

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Yori Schultka — Ausstellungsplanung am Museum für Naturkunde Berlin

 

Wie war Dein Werdegang bisher?

Nach dem Abitur habe ich direkt ein Praktikum im Goethe-Institut Berlin begonnen. Dort habe ich dann auch als studentische Hilfskraft neben meinem Magisterstudiengang Sinologie gearbeitet. 2008 habe ich für ein Jahr in der Buchhaltung des Studios Ólafur Elíasson gearbeitet. Nach einer kurzen Rückkehr ins Goethe Institut habe ich 2009 – 2011 im Architektur- und Ingenieurbüro Ziegert Roswag Seiler im Büromanagement gearbeitet. Im November 2011 bin ich in die Buchhaltung der Galerie Neugerriemschneider gewechselt, wo ich bis 2014 tätig war.

 

Wie lange bist du schon in deiner jetzigen Position? Wie bist du dorthin gekommen?

Seit dem 01.06.2014. Mein Vater (ebenfalls tätig im Museum für Naturkunde Berlin) hatte mir die Ausschreibung weitergeleitet. Das Ganze beruhte auf einem Missverständnis. Ich wollte mich gar nicht unbedingt bewerben, dachte aber, dass ich das meinem Vater zuliebe wenigstens versuchen sollte. Mein Vater allerdings wollte wohl gar nicht, dass ich mich bewerbe, und hatte mir die Ausschreibung lediglich für mein Netzwerk zur Weiterleitung geschickt. So kann’s gehen…

 

Was bedeutet “Karriere” für Dich? Was willst Du erreichen?

Das ist eine schwierige Frage. Für mich ganz persönlich würde es bedeuten (und das wäre auch meine Ideal-Vorstellung), eine mittlere Leitungsfunktion auszufüllen, in der ich ein kleines Team verantworte und gleichzeitig selbst Vorgesetzte habe. Ein dementsprechendes Gehalt gehört für mich zu Karriere ebenfalls dazu.

 

Was beinhaltet Dein aktueller Job?

Die Koordination und Organisation von Ausstellungen und dazugehöriger Events. Das heißt: ALLE Stricke und die daran gebundenen Menschen in den Händen halten, zu verweben, zu entknoten und möglichst nicht zu verlieren.

 

Was war Deine erste berufliche Tätigkeit? Inwiefern waren Deine früheren Jobs für Deine jetzige Position hilfreich?

Meine allererste bezahlte Tätigkeit war ein 6‑wöchiger Ferienputzjob im Krankenhaus Rüdersdorf. SEHR lehrreich…

 

Welches musikalische/künstlerische Ereignis hat Dich nachhaltig geprägt?

Mein Ballettunterricht (Beginn mit 4 Jahren glaub ich bis 11) und mein Geigenunterricht (4–23).

 

Welche war die größte (berufliche) Hürde für Dich bisher?

Da gibt es ehrlich gesagt viele. Aber um es allgemeiner zu halten: Sich selbst immer wieder zu hinterfragen, aber sich nicht verunsichern zu lassen, und das Timing zwischen Familiengründung und dem weiteren Arbeits-/Karriereweg zu beschreiten.

 

Was hättest Du gerne schon am Anfang Deiner Karriere gewusst? Was würdest Du rückblickend anders machen?

Dass ich ein so großes Interesse an Menschen und deren Beweggründen und Zufriedenheit habe, und dass daher ein Psychologiestudium meine Erfüllung gebracht hätte.

 

Wer waren Deine Mentoren oder Vorbilder?

Ist immer noch mein Vater. Als Mentoren in meinem Umfeld fungieren aber vor allem meine Freundin Anja und mein Freund Jens.

 

Welche Bücher sind Inspiration für Dich?

Jedes Einzelne, welches ich gelesen habe, und noch lese. Im Guten wie im Schlechten.

 

Wie bleibst Du in Deinem beruflichen Umfeld/Bereich informiert?

Vor allem passiv durch mein Netzwerk. Aber auch durch das Radio, das Internet und Die Zeit.

 

Welche Tools nutzt Du, um organisiert zu bleiben?

Handy, xls., Notizbuch und Karteikärtchen.

 

Wie und wo tankst Du Kraft und Energie?

Zu Hause auf dem Sofa mit einem Buch, bei meinen Eltern in derselben Situation, beim Kickboxen, beim Joggen, an der Bar (am besten mit Freunden), bei der Massage.

 

Wie triffst du Entscheidungen?

Nach Konsultation meines Inneren, hin und wieder auch durch Recherchen, aber vor allem nach dem Austausch mit anderen Menschen.

 

Zukunftsvision: Wie siehst Du die Entwicklung in Deiner Branche (Klassik, Museum, Ballett, Kulturförderung etc.)?

Ich sehe eine enorm zunehmende Interdisziplinarität. Neues zu erfinden wird immer schwieriger, weshalb die Kombination unterschiedlicher Bereiche immer mehr an Bedeutung gewinnt. Weiterhin wird durch das Näherrücken der Welt alles andere auch näher rücken. Das schürt natürlich Ängste, allerdings glaube ich, dass es eine natürliche Reaktion der Kunst ist, diesen Ängsten vehement entgegenzutreten. Dadurch werden die Ansprüche an Vermittlungs- und Bildungsarbeit steigen.

 

Welche Faktoren waren rückblickend entscheidend für deinen Erfolg?

In eine gebildete, interkulturelle, einigermaßen finanziell gut abgesicherte Familie hineingeboren worden zu sein, die mir ein tolles soziales und Bildungsumfeld ermöglicht hat. Weiterhin die Freiheit gehabt zu haben, einfach mal ausprobieren zu können.

 

Womit hast Du gute Erfahrungen in Konfliktsituationen gemacht? Welchen Rat möchtest Du zur Lösung von Konflikten weitergeben?

Ruhig zuhören, nicht mit dem Finger zu zeigen, und bei wirklich explosiven Situationen kurz rauszugehen, dieses aber auch zu kommunizieren. Ehrlichkeit, Offenheit (sich auch trauen, die eigenen Gefühle zu äußern) und Authentizität sind ebenfalls essentielle Elemente eines Konfliktgesprächs.

 

Worauf sollte Deiner Meinung nach in der Ausbildung mehr Gewicht gelegt werden?

Kommunikation, Abstraktionsfähigkeit.

 

Wie siehst Du die Position der Frauen in der Branche?

Nach wie vor besser als in manchen anderen Branchen, aber nach wie vor prekär. Frauen füllen nach wie vor prozentual mehr befristete und Teilzeitstellen aus, es gibt keine/wenige (?) Programme, um Frauen in der Familien- und Karriereplanung zu begleiten (damit meine ich im Sinne einer Vereinbarkeit dieser beiden Bereiche) und Frauen werden nach wie vor schlechter bezahlt bei gleicher Funktion und Eignung.

 

Machen Frauen anders Karriere als Männer?

JA!

 

Welche Klischees über Frauen (und Männer) stimmen, und welche stimmen nicht?

Wir tendieren alle dazu, Klischees zu formulieren und bei uns und anderen zu analysieren. Das widerspricht meinem Bild von Gleichstellung und der Arbeit dahin zu kommen, daher würde ich diese Frage für mich als irrelevant bezeichnen.

 

Brauchen wir eine Frauenquote in der Kultur bzw. in den “oberen Kulturetagen”?

Dazu habe ich zu wenig Überblick und Kenntnisse, dass ich mich qualifiziert äußern könnte. Aber grundsätzlich glaube ich daran, dass wir alle mit unseren Leistungen überzeugen sollten, nicht mit unserem Geschlecht. Daher tendiere ich zu einem vorsichtigen nein. Ich plädiere für einen stärkeren Fokus auf Maßnahmen, um eine Diversität in Führungsebenen zu implementieren.

 

Welche Fähigkeiten/Eigenschaften sind entscheidend, um im Kulturmanagement Erfolg zu haben?

Kreativität, Strukturiertheit, Empathie und Freude an dem, was wir tun!

 

Welche Tipps hast Du für Gehaltsverhandlungen?

Vorher informieren (Internet, Netzwerke) und immer höher ansetzen. Wenn der Arbeitgeber wirklich Interesse an Dir hat, wird eine zu hohe Gehaltsforderung ganz bestimmt nichts daran ändern!

 

Welchen Rat möchtest Du Berufseinsteigern geben?

Schaut Euch Euer neues Umfeld genau an, hört gut zu und traut Euch immer, Fragen zu stellen. Wenn Ihr nicht bereits einen Mentor zugeordnet bekommt, versucht Euch selbst einen einzufordern, mit dem Ihr Rücksprache halten könnt, was Eure Leistung, Eure Entwicklungsmöglichkeiten, aber vor allem auch Eure Bedenken und Bedürfnisse angeht.

 

Photo credit: Hwa Ja-Götz_MfN

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“Sei doch einmal Festivalleiterin mit zwei kleinen Kindern!” https://her-arts.de/2019/05/11/julia-kizhukandayil-senior-project-manager-kulturelle-teilhabe-robert-bosch-stiftung/ https://her-arts.de/2019/05/11/julia-kizhukandayil-senior-project-manager-kulturelle-teilhabe-robert-bosch-stiftung/#respond Sat, 11 May 2019 09:27:17 +0000 https://her-arts.de/?p=94 Julia Kizhukandayil — Senior Project Manager Kulturelle Teilhabe Robert Bosch Stiftung

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Julia Kizhukandayil Senior Project Manager Kulturelle Teilhabe Robert Bosch Stiftung

 

Wie war Dein Werdegang bisher?

Zunächst habe ich einige Jahre in unterschiedlichen Verlagen gearbeitet: Angefangen als Foreign Rights Manager bei Hachette Livre in Paris, wechselte ich beim Prestel Verlag in München ins Lektorat und später zum Corporate Publishing für die Museen. Fasziniert von Kunst, Galerien und Museen beschloss ich für 4 Monate nach Kapstadt zu gehen, um dort freiwillig im Marketing für das größte Museum, das „Iziko“ mitzuarbeiten. Darauf folgten Stationen in Abu Dhabi beim Kultusministerium und der Abu Dhabi International Buchmesse. Hier war ich zunächst als „Strategy Manager“ tätig und wechselte zum Project Manager für die Beratung internationaler Verleger. Danach beschloss ich, mich noch intensiver mit anderen Kunstsparten, namentlich der Musik und dem Theater zu beschäftigen, und wechselte zum Enjoy Jazz Festival nach Heidelberg, Mannheim und Ludwighafen und später zu „Matchbox- dem wandernden Kunst- und Kulturprojekt“ des Kulturbüros der Metropolregion Rhein-Neckar. Inzwischen arbeite ich als Senior Projektmanager im Bereich Gesellschaft im Team Kulturelle Teilhabe der Robert Bosch Stiftung.

 

Was bedeutet Karriere für Dich? Was willst Du erreichen?

Karriere bedeutet für mich die Freiheit, selbst gestalten zu dürfen, ohne dabei den Sinn zu verlieren, den man in seiner Arbeit sieht.

 

Was beinhaltet Dein aktueller Job?

In unserem Team der Kulturellen Teilhabe wollen wir Zugänge zu Kunst und Kultur für alle Kinder und Jugendliche von Beginn an ermöglichen. Dazu fördern wir Projekte im Bereich der Literaturvermittlung und frühkindlichen kulturellen Bildung.

 

Was war Deine erste berufliche Tätigkeit? Inwiefern waren Deine früheren Jobs für Deine jetzige Position hilfreich?

Als jemand, der bereits in verschiedenen künstlerischen Sparten, Ländern und mit Menschen unterschiedlicher Herkunft zusammengearbeitet hat, glaube ich, dass Kunst und Kultur in besonderer Weise geeignet ist, gesellschaftliche Teilhabe und Identifikation zu fördern. Ich bin davon überzeugt, dass ästhetische Erfahrungen ein Schlüssel sind, um Wirklichkeit aus neuen Blickwinkeln zu betrachten. Sie ermöglichen das Erkennen von Selbstwirksamkeit, eröffnen alternative Wege, erweitern Handlungsspielräume und Reflexion über eigene Standpunkte und sind deswegen essentiell, um gesellschaftliche Prozesse verstehen, und mitgestalten zu können. Gerade in der aktuellen Situation, die geprägt ist von Hass, Egoismus, Unverständnis für andere Denk- und Lebenswelten, eröffnen künstlerische Ausdrucksformen einen „dritten Raum“, in dem sich Menschen neu – oder zumindest ganz anders – begegnen können. Dass Kunst und Kultur diese Potentiale in sich tragen, habe ich in jedem Konzert, in jeder Ausstellung und in jedem lektorierten Buch zuvor erfahren dürfen.

 

Welches musikalische/künstlerische Ereignis hat Dich nachhaltig geprägt?

Immer das eigene Musizieren mit Freunden und viel Wein.

 

Welche war die größte (berufliche) Hürde für Dich bisher?

Immer die, in der man gerade steckt – das macht es ja so aufregend.

 

Was hättest Du gerne schon am Anfang Deiner Karriere gewusst? Was würdest Du rückblickend anders machen?

Ich würde nichts anders machen, weil ich bisher immer das gemacht habe, was sich in einem bestimmten Moment richtig angefühlt hat. Übrigens auch wenn es das Gefühl war, dass es Zeit ist zu gehen.

 

Wer waren Deine Mentoren oder Vorbilder?

Nelson Mandela!

 

Welche Bücher sind Inspiration für Dich?

Nachdem ich nun lange über diese Frage nachgedacht habe, glaube ich, dass ich Bücher noch nie gelesen habe, um inspiriert zu werden. Ich liebe den Prozess des Lesens, weil es für mich ein intensiver Austausch mit anderen Lebenswelten ist. Und dann stellt sich die Frage, welchem Autor ich soweit vertraue, dass ich mich gerne auf die von ihm kreierten Gedankenwelten einlassen möchte. Da fällt mir als erstes Juli Zeh ein.

 

Wie bleibst Du in Deinem beruflichen Umfeld informiert?

Lesen von Newslettern und Fachzeitschriften und das Schönste: Kulturveranstaltungen besuchen!

 

Welche Tools nutzt Du, um organisiert zu bleiben?

Meinen Kopf, mein Notizbuch und mein Outlook.

 

Wie und wo tankst Du Kraft und Energie?

Auf dem Sofa mit einem Buch und dem Hund. Mit meinem Mann in einem Konzert und mit meiner Tochter im Zoo.

 

Wie triffst Du Entscheidungen?

Das kommt sicher auf die zu treffenden Entscheidungen an, aber grundsätzlich im Austausch mit Menschen, von denen ich glaube, sie eröffnen mir unterschiedliche Perspektiven und dann treffe ich eine einsame Entscheidung, hinter der ich stehen kann.

 

Zukunftsvision: Wie siehst Du die Entwicklung in Deiner Branche?

Aus Sicht der Robert Bosch Stiftung ist es uns ein großes Anliegen, dass Kultureinrichtungen, unabhängig von ihrer Branche, ihre Rolle in einer sich wandelnden Gesellschaft neu definieren: Dazu gehört, dass sie Spiegel von Vielfalt werden müssen und nicht nur ihr Marketing, sondern auch ihr Programm neuen Zielgruppen gegenüber öffnen sollen. Damit einher geht ein Strukturwandel in den Institutionen. So sollte z.B. der aktuell niedrigere Stellenwert der „Vermittlungsarbeit“ überdacht und viel stärker in den Blick genommen werden.

 

Welche Faktoren waren rückblickend entscheidend für Deinen Erfolg?

Die Tatsache, dass ich immer das getan habe, was ich liebe: Ich kann nichts anderes tun als Kultur.

 

Wie gehst Du mit Konflikten um? Welchen Rat möchtest Du zur Lösung von Konflikten weitergeben?

Konflikte entstehen durch Reibung. Solange es Reibung gibt, sind die Dinge noch nicht „zurechtgerückt“. Das kann manchmal sehr schmerzhaft sein. Ich bin kein Stratege oder Taktiker, mir geht es nur um die Kunst: Personen, Positionen, Etikette, (eigene) Eitelkeiten müssen ausgeblendet werden, um für eine bestimmte Situation die bestmögliche Entscheidung zu treffen.

 

Worauf sollte Deiner Meinung nach in der Ausbildung mehr Gewicht gelegt werden?

Was wir brauchen sind keine perfekten Projektmanager – wir brauchen (wieder) Kulturmenschen, die sich „einfach so“ einmal mit „Der Mann ohne Eigenschaften“ beschäftigt haben oder die Stella Hamberg zeigen, weil sie auf ihr Bauchgefühl vertrauen können.

 

Wie siehst Du die Position der Frauen in der Branche?

Gegenfrage: Warum teilen sich nur 30 Prozent der Männer in Führungsjobs die Hausarbeit und Erziehung mit ihrer Partnerin paritätisch? Warum gelingt das 50 Prozent der führenden Frauen? Oder anders: Sei doch einmal Festivalleiterin mit zwei kleinen Kindern!

 

Photo credit: Julia Kizhukandayil

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“Richtig ankommen wird man nie, man muss stetig weiter an sich arbeiten, und zwar auf vielen Ebenen.” https://her-arts.de/2018/10/19/ilona-schmiel-intendantin-der-tonhalle-zuerich/ https://her-arts.de/2018/10/19/ilona-schmiel-intendantin-der-tonhalle-zuerich/#respond Fri, 19 Oct 2018 08:04:47 +0000 https://her-arts.de/?p=9 Ilona Schmiel - Intendantin der Tonhalle Zürich

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Ilona Schmiel — Intendantin der Tonhalle Zürich

 

Frau Schmiel, Ihr Karriereweg bis zu Ihrer Position an der Tonhalle Zürich ist im Internet nachlesbar. Würden Sie uns dennoch zu den Schlüsselmomenten Ihrer Karriere zurückführen?

Einer der wichtigsten Schlüsselmomente war die Entscheidung, überhaupt in den Bereich Kulturmanagement zu gehen. Ich hatte meine Karriere als Musikerin auf der Bühne begonnen, dann aber Schulmusik und Altphilologie studiert, um einen verlässlichen akademischen Background zu haben. Für mich stand jedoch früh fest, dass ich nicht ausschließlich unterrichten wollte. Während meines Kulturmanagement-Studiums an der Hochschule für Musik „Hanns Eisler“ habe ich die Berliner Kulturszene intensiv genutzt und war nahezu jeden Abend auf Kulturveranstaltungen. Das halte ich für ein wichtiges Erfolgskriterium: Wer eine Leitungsfunktion in einer Kulturinstitution anstrebt, sollte sehr viel gesehen, gehört und erlebt haben. Es reicht nicht, einmal pro Woche in ein Konzert, eine Oper oder eine Kunstausstellung zu gehen. Auch ist es wichtig, sich von Anfang an, ein Netzwerk aufzubauen. Die Verbindungen aus meinem Studium pflege ich auch heute noch intensiv – sowohl die Kontakte zu Kommiliton*innen als auch zum Lehrpersonal sollte man nicht unterschätzen, denn man trifft sich später immer irgendwo wieder.

Zu Beginn meiner Karriere förderten mich über viele, viele Jahre hinweg ausschließlich Männer. Das halte ich für unerheblich, wichtig ist nur, dass gute Mentoren-Mentee-Gespanne entstehen, die zueinander passen. Meine Mentoren hatte ich bereits im Studium gefunden und stehe mit ihnen bis heute in Kontakt bezüglich bedeutender Karriereentscheidungen. Zu meinen Studienzeiten gab es noch keine Alumni- und Mentoring-Programme, dennoch suchte ich von Anfang an den Austausch mit starken Persönlichkeiten mit interessanten Biografien. Eine dieser Personen ist Prof. Dr. Klaus Siebenhaar, der den Studiengang Kultur- und Medienmanagement an der Hochschule für Musik „Hanns Eisler“ begründet hat. Hier kamen Studierende aus Ost und West, haupt- und nebenberuflich Immatrikulierte, die bereits in Kulturinstitutionen tätig waren, zusammen – das war eine wichtige Quelle an Erfahrungen und kritischen Diskursen. Da es zu dieser Zeit noch kein Internet gab, waren wir auf den persönlichen Austausch vor Ort und etliche Reisen zu den einzelnen Institutionen und Produktionen angewiesen, was ich im Nachhinein betrachtet als Vorteil sehe.

 

Wie ging es dann weiter?

Mein nächster Schritt war die Arbeit bei einer privaten Agentur für die „Arena di Verona“. In dieser Zeit lernte ich viel über Tourneeproduktionen. Die künstlerisch hochkarätig besetzten Produktionen mussten zielgruppengerecht und massentauglich sein. Dieser Geschäftszweig ist seit 2000 eigentlich komplett weggebrochen. Diese Tendenzen waren zu meiner Zeit dort bereits erkennbar, starke Umwälzungen in der Organisation der „Arena di Verona“ kamen hinzu. Ich war mit 200 bis 300 Italienern unterwegs auf Tournee, lernte viel über das Tourneeleben und hatte in der sehr kleinen Agentur, die für alles zuständig war, direkt einen sehr großen Verantwortungsbereich. Außerdem erfuhr ich viel über interne, gewerkschaftspolitische Fragen in Ensembles. Ich denke, auch dies ist ein wichtiger Erfolgsfaktor: Sich nicht in riesigen Strukturen zu verirren, wo man, übertrieben gesagt, die achtzehnte Assistentin ist und kaum wahrgenommen wird, sondern eher eine Tätigkeit anzustreben, in der man mit dem eigenen Wirken große Spielräume nutzen kann.

Von da aus ging ich an das Bremer Konzerthaus „Die Glocke“ und übernahm meine erste Geschäftsführungs- und Intendanzposition. Das kam für mich schneller als erwartet. Ein Freund sendete mir die Stellenanzeige eines Headhunters. Damals war es sehr selten, dass Führungspositionen von Headhuntern besetzt wurden. In der Stellenanzeige wurde ein „Geschäftsführer“, ohne weibliche Form, gesucht – ein junger, dynamischer Kulturmanager. Ich rief dort an, um zu fragen, wie jung der Kulturmanager sein dürfe, und ob sie mit einer Frau, die gerade dreißig geworden ist, auch rechnen würden. Ich hatte einen wunderbaren Headhunter, dem es etwas die Sprache verschlug. Er sagte, das sei schon ziemlich jung, und mich persönlich hätten sie nicht auf dem Radar gehabt.

Schließlich war ich mehrere Jahre ständig unterwegs im Ausland gewesen und in Deutschland nicht präsent. Nach unserem ersten Treffen hat er dafür gekämpft – dann bei den Aufsichtsratsmitgliedern – dass ich im Januar 1998 in Bremen anfangen konnte. Als die Zusage kam, dachte ich, diese „Schuhe seien zu groß“ für mich, denn mein Vorgänger war jemand, den ich sehr schätze und mit dem ich bis heute freundschaftlich verbunden bin. Wichtig ist, in so einem Moment auch „Ja“ zu sagen, und nicht plötzlich aus Selbstzweifeln heraus abzulehnen. Es ist besser, früh eine Führungsposition einzunehmen und gegebenenfalls zu scheitern, als zu spät. So hat man noch die Chance, sich weiterzuentwickeln. Ich habe wie wahnsinnig gearbeitet und mich den Herausforderungen, die ich noch nicht erlebt hatte, wie z. B. das Leiten von Aufsichtsratssitzungen, aktiv gestellt. Hier hatte ich wieder eine Person, die mich gut trainiert hat, um auch in betriebswirtschaftlicher Hinsicht fit für diese Stelle zu sein. Nach vier Jahren und drei Monaten trat ich von meiner Position zurück.

 

Wie kam es dazu?

Ich trat damals zurück, weil ich einen Betrag zur Realisierung künstlerischer Projekte nicht bekam, mit der Begründung, ich könnte diese Mittel ja zusätzlich akquirieren. In der Zwischenzeit war ich zusätzlich Geschäftsführerin des Bremer Musikfestes geworden. Sponsoren mussten sich entscheiden, ob sie zusätzliche Mittel ans Festival oder für das Konzerthaus gaben. Die Menge der Förderer konnte schon zu dem Zeitpunkt nicht beliebig erweitert werden.  Daher war meine Forderung nach zusätzlichen Mitteln der öffentlichen Geldgeber begründet. Nach einem Jahr der Verhandlungen und den damit einhergehenden Konsequenzen für meine künstlerischen Anliegen – ich hatte lediglich die Möglichkeit, diese hinten an zu stellen bzw. nicht zu realisieren – bat ich um meine Vertragsauflösung, ohne eine neue Position zu haben.
Zum ersten Mal in meinem Leben hatte ich dann sechs Wochen am Stück Zeit. Am Anfang genießt man das, nach vier Wochen wurde ich jedoch unruhig. In der Branche hat mir dieser konsequente berufliche Schritt den Ruf eingebracht, für künstlerische Inhalte einzustehen und dafür zu kämpfen – und das trotz meines sehr jungen Alters. Und so erhielt ich zeitnah die Anfrage, ob ich als Intendantin des Beethovenfests in Bonn ins Rennen gehen möchte. Dort habe ich elf Jahre lang für zehn Festivaleditionen an der künstlerischen Positionierung des Festivals, dessen Internationalisierung, neuen Formaten, Partizipation von diversen Partnern, Öffnung in die Stadt Bonn hinein sowie neuen Vermarktungsstrategien unter ständiger Erweiterung von finanziellen Unterstützern im privaten wie öffentlichen Bereich gearbeitet und mich strukturellen und organisatorischen Fragen gestellt. 2012 kam dann die Anfrage aus Zürich für die Intendanz der Tonhalle-Gesellschaft – ein guter Saal, ein sehr gutes Orchester und viele interessante Rahmenbedingungen. Nach fünfzehn Jahren in Deutschland wollte ich zudem wieder ins Ausland – und bin hier definitiv in der Schweiz angekommen.

 

Heute läuft fast alles übers Internet. Zu Beginn Ihrer Karriere hat man noch viel mehr telefoniert, oder?

Man hat unglaublich viel telefoniert, man hat sich getroffen, man hat intensiv diskutiert. Und das gilt bis heute: Nichts ersetzt den persönlichen Kontakt. Das Live-Erlebnis, nicht nur auf der Bühne, sondern im menschlichen Kontakt ist essentiell für mich. Bei jeder Art der Zusammenarbeit geht es um Vertrauensverhältnisse, um klare Strukturen. Dafür ist es wichtig, die eigene Positionierung und Außenwirkung zu kennen, Authentizität zuzulassen, und genau zu wissen, woran man noch arbeiten muss. Auch das ist eine zentrale Erkenntnis: Richtig ankommen wird man nie, man muss stetig weiter an sich arbeiten, und zwar auf vielen Ebenen.

 

Gehen wir nochmal zurück nach Bremen. Wie war es für Sie, in so jungen Jahren in einer solchen Position zu sein und ein komplettes Team zu leiten?

Die Teamleitung war aus meiner Sicht kein Problem. Ich war schon immer eine Führungspersönlichkeit. Natürlich wird man mit vielen persönlichen Schicksalen konfrontiert, aber wenn Sie vorher mit 300 Leuten auf Tournee waren, sind Sie in zwischenmenschlichen Auseinandersetzungen jeglicher Art erfahren und stresserprobt, auch unter den kritischen Blicken vieler Augen. Die Herausforderung war, politisch agieren zu müssen in einem Umfeld, in dem man die eigene Position und die des Hauses sehr genau reflektieren muss, inklusive der Konkurrenz vor Ort und möglicher Kooperationspartner. Es galt, Allianzen zu schaffen, das Haus zu öffnen, Veranstaltungsbelange, auch von Drittanbietern, zu koordinieren und mit dem vor allem medialen Erwartungsdruck umzugehen und einen guten Umgang mit den Medien zu finden. Hier muss man viele Entwicklungen antizipieren können und eine optimistische Grundhaltung an den Tag legen, auch wenn man nichts versprechen kann und noch nicht überall Einblicke hat. Eine positive Grundhaltung ist essentiell – haben Sie diese nicht, können Sie es lassen. Konfliktlust und ‑fähigkeit sind weitere Schlüsselqualifikationen.

 

In all den Jahren haben Sie bestimmt auch andere Frauen im Kulturmanagement kennen gelernt. Wie sehen Sie die Position von Frauen in dieser Branche?

In bin traurig, dass es nach meiner Zeit in Bremen keine einzige Frau mehr dort in eine leitende Position im musikalischen Bereich geschafft hat. Eine Ausnahme stellen die Museen dar – ein fantastisches Zeugnis für die Vielgestaltigkeit der Museumslandschaft. Bei Konzerthaus- oder Orchesterintendanzen sind Frauen weltweit eine rare Ausnahme, bis heute, und das stimmt mich nachdenklich. Auf der anderen Seite erlebe ich immer wieder bei Frauen, die für solche Positionen vorgeschlagen werden, dass sie sich noch nicht bereit dafür fühlen. „Soweit bin ich noch nicht“ – damit darf man sich nicht zufriedengeben. Wenn man in eine Führungsposition will, sollte man es konsequent ausprobieren.

 

„So weit bin ich noch nicht“ – diesen Satz hören Sie mehr von Frauen als von Männern?

Absolut. Ich kenne keinen Mann, der mir diesen Satz jemals gesagt hat. Männer schauen schneller danach, was ein nächster sinnvoller Karriereschritt für sie sein könnte. Bei Frauen dauert das zum Teil wahnsinnig lang, viele machen lieber noch eine weitere Ausbildung oder Qualifikationsmaßnahme. Ich sage denen: Die 18. Fortbildung bringt es nicht – Ihr müsst Eure Ziele durchsetzen. In einer Bewerbungssituation muss man die Kraft haben, sein Gegenüber von der eigenen Willensstärke zu überzeugen, auch davon, dass man bereit ist, Opfer einzugehen, also unglaublich viel Zeit zu investieren. Man muss schon vieles erst einmal hinten anstellen, das muss man wollen. Und eine Chance ergreifen, wenn sie kommt.

 

Gibt es weitere Unterschiede, wie Männer und Frauen Karriere machen?

Für mich gibt es im beruflichen Umfeld grundsätzlich überhaupt keine Unterschiede zwischen Männern und Frauen. Jeder muss einen authentischen Führungsstil für sich selbst finden. Ein Unterschied ist jedoch, dass Frauen weniger Vorbilder haben, mit denen sie sich auseinandersetzen können. Ich hoffe, dass sich das endlich ändert. Dennoch sind die Karrierewege der erfolgreichen Frauen, die ich kenne, alle sehr ähnlich. Sie waren immer irgendwo die Ersten oder Zweiten, haben sich gut vernetzt, haben „geackert“. Sie haben reüssiert und viel für den Erfolg in Kauf genommen, aber sie wollten diese Position auch unbedingt und lieben es zu entscheiden. Ich glaube, es gibt eine grundsätzliche Frage, die ich auch gern Schülern stelle: Können Sie sich vorstellen, Chef zu werden? Ich kann Ihnen relativ früh sagen, ob jemand mit 15, 16, 17 Jahren Führungseigenschaften hat oder nicht. Man wird nicht plötzlich mit 30 zur Führungskraft. Wenn man dagegen schon immer jemand war, der in Gruppenpräsentationen vorne dran war, der Ideengeber war oder gern quer und innovativ gedacht hat – jemand, der lieber ausprobiert, als allen zu gefallen – dann ist das ein gutes Zeichen. Es gibt sicher unterschiedliche Wege, seine Karriere aufzubauen, so wie es auch verschiedene Biografien gibt – die Kriterien sind aber letztlich dieselben.

 

Es kommt also am meisten auf den Persönlichkeitstyp an?

Genau. Man braucht außerdem Menschen in seinem Umfeld, die einem sagen, wie man Themen organisiert oder bestimmte Strukturen umsetzt, die einen aber auch auf die eigenen Qualitäten aufmerksam machen.

 

Gibt es etwas, was Sie gerne schon am Anfang Ihrer Laufbahn gewusst hätten? Etwas, was Sie aus heutiger Sicht anders angehen würden?

Das ist schwer zu sagen. Im Nachhinein betrachtet hatte jede Entscheidung ihren Sinn. Für mich war es wichtig zu gehen, wenn ich merkte, dass ich mich in einer Position nicht weiterentwickeln kann. Aus heutiger Perspektive würde ich wohl ähnlich handeln. Allerdings sind die Bedingungen heute natürlich andere. Vielleicht wäre ich jetzt nicht in Zürich, sondern woanders. Offenheit, Neugier und der Drang nach persönlicher Weiterentwicklung – das sind wichtige Grundlagen, um an unterschiedlichen Stationen erfolgreich wirken zu können. Je mehr Erfahrung man hat, desto besser kann man sich einbringen, Neues, Besonderes oder Schräges wagen, neue Menschen erreichen oder neue Künstler finden. Man muss sich im Klaren darüber sein, dass man keine Karriere im eigentlichen Sinne plant, sondern Optionen bekommt. Entscheidend ist, diese Chancen zu ergreifen.

 

Selbst, wenn man ein Team hat, ist man ja am Ende immer noch diejenige, die ganz oben ist und das Sagen hat…

Ja, so ist es. Man muss entscheidungsfreudig, aber auch ein guter Teamplayer sein. Einen komplett patriarchalischen Führungsstil gibt es heute nicht mehr, und das ist auch gut so.

 

Was raten Sie Berufsanfängerinnen darüber hinaus?

Sie sollten sich mit Führungspersonen viel früher auseinandersetzen, als es die meisten tun. Im Prinzip sollten sie sich am Studienanfang überlegen, wen sie kennenlernen möchten, und  diese Leute gezielt ansprechen, zum Beispiel bei Kongressen oder in der Institution selbst. Auch auf mittlerer Führungsebene gibt es spannende Persönlichkeiten, es muss nicht immer gleich die Intendanz sein. Auf diese Weise lernt man die Entscheidungskriterien kennen, um in eine solche Position zu gelangen und kann eigene Fragestellungen mit Personen in höheren Ebenen diskutieren. Man lernt viel anhand anderer Lebenswege.

 

Sie wussten schon früh, wohin Sie wollten. So geht es nicht jedem, zudem hat man ja heutzutage nicht mehr so viel Zeit, sich auszuprobieren…

Sie haben eigentlich alle Zeit der Welt! Ein häufiger Fehler bei Frauen ist, alles systematisch Step by Step angehen zu wollen – und einen Plan zu verfolgen, bei dem eine Leitungsposition irgendwann mit 40 vorgesehen ist. Dieses Modell stelle ich infrage. Es gibt Side-Steps, beispielsweise kleine Festivals, die Führungspersonen suchen, oder Orte, die auf den ersten Blick nicht super-attraktiv erscheinen, aber an denen man etwas bewegen kann. Ich habe damals die Entscheidung getroffen, aus Berlin wegzugehen, auch wenn es eine absolut fantastische Stadt ist. Zum Glück. Ich weiß, dass manche meiner Kommilitoninnen und Kommilitonen bis heute in Berlin leben und tolle Karrieren gemacht haben. Ich will das also gar nicht werten. Für mich erschien es jedoch als nahezu unmöglich, mich in Berlin zu positionieren. Wie sollte das gehen in diesem Heer von Menschen, die alle in der Musikwelt etwas bewegen wollten? Für mich war es deshalb die richtige Entscheidung, die „bekannte“ Scholle zu verlassen. Das war mühevoll und kostete Energie, es machte zeitweise einsam. Aber es hat mich geprägt und vor allen Dingen gestärkt.

 

Photo credit: Paolo Dutto

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