Sophia Athié — Director of Development and External Relations @ House of One
“Eine Synagoge, eine Kirche und eine Moschee.. Ein Haus des Gebets und der interdisziplinären Lehre. Ein Haus der Begegnung, für ein Kennenlernen und den Austausch von Menschen unterschiedlicher Religionen. Ein Haus auch für die, die den Religionen fernstehen.”
Wir freuen uns, dass Sophia Athié für uns Rede und Antwort gestanden hat! Sophia war vorher beim Berliner Ensemble sowie am Städel-Museum Frankfurt in der gleichen Position tätig und ist auch seit mehr als 15 Jahren im Kulturmanagement verankert.
Sophia, wie geht es Dir in der ungewöhnlichen Situation, in der wir uns aktuell befinden? Wie gestaltet sich die Arbeit im House of One und wie fühlst Du Dich persönlich?
Mir geht es die meiste Zeit prima. Beruflich habe ich sehr viel zu tun aktuell; auch wenn es eher ruhig wirken mag rund um das House of One, da keine Veranstaltungen stattfinden können. Hinter den Kulissen passiert richtig viel: Für Mai ist die Grundsteinlegung des House of One geplant und es gilt, in den nächsten Jahren die restliche Finanzierungslücke von immerhin noch ca. 7 Millionen über Spendengelder zu finanzieren. Wir arbeiten daran, die Fundraisingkampagne weiterzuentwickeln.
Und zur momentanen Arbeitssituation: Ich persönlich habe gute Erfahrungen mit dem Home Office gemacht. Anfangs war es etwas gewöhnungsbedürftig, die Tür auch mal zu schließen, und sich nicht in alles einzumischen. Das war nicht so einfach für mich als berufstätige Mutter. Von zu Hause arbeiten bringt viele Vorteile mit sich. Die Flexibilität der Zeit finde ich sehr hilfreich, und ich genieße es, mehr zu Hause zu sein und die Kinder mehr zu sehen. Und obwohl mein Mann sich weitestgehend um unsere drei Kinder kümmern kann und mir den Rücken freihält, ist natürlich trotzdem oft genug totales Chaos bei uns.
Was gibt Dir Kraft und Energie zurück, wenn Du erschöpft bist als berufstätige Mutter?
Ich meditiere regelmäßig, das ist eine wichtige Energiequelle für mich. Und ich vergegenwärtige mir, wie dankbar und froh ich darüber bin, was man am eigenen Job hat; und dass es überhaupt gelungen ist, im Kulturbereich Fuß zu fassen. Ich habe immer mal wieder Momente, in denen ich denke: Sollte man nicht irgendeinen Job machen, der einen nach Verlassen des Büros auch gedanklich verlässt, denn nach dem Büro abends oder am Wochenende abzuschalten ist nicht meine Stärke. Bei einer anderen Tätigkeit würde mir aber vermutlich der Antrieb fehlen, diese intrinsische Motivation. Also im Grunde ist es der Fokus auf das Positive, woraus ich Energie ziehe. Und die Team-Kolleginnen und Kollegen, die sind einfach ein Geschenk.
Gibt es für Dich die perfekte Ausbildung, um im Kulturmanagement Fuß zu fassen? Gibt es bestimmte Skills, die jemand mitbringen sollte?
Ich kann mir nicht vorstellen, dass es für alle die gleiche perfekte Ausbildung gibt, um ins Kulturmanagement einzusteigen. Ich selbst habe internationales Kulturmanagement studiert, und ich muss sagen, für mich war das genau das Richtige. Ich wusste relativ früh, dass ich sehr gerne im Kulturbereich arbeiten wollte, aber ich wusste nicht, ob es in Richtung Theater, Musik oder Museum gehen sollte. Mein generalistisches Studium hat für mich perfekt gepasst. Ich habe später im Theater gearbeitet, bei einem Radiosender, einem Musikfestival, im Museum …und jetzt arbeite ich für ein interreligiöses Projekt. Natürlich wünschte ich mir bei jeder dieser Stationen profundere Kenntnisse von der Materie, um inhaltlich tiefer mitreden zu können. Ich habe meinen Auftrag immer als eine Art Vermittlung verstanden, also zwischen den Inhalten und den Menschen, die sich dafür engagieren, und dafür braucht man eine inhaltliche Grundlage. Mit einer gewissen Neugier und der Bereitschaft sich einzuarbeiten, kommt man aber gut zurecht.
Du hast lange Zeit im Ausland gelebt, darunter sieben Jahre in New York. Was hast Du dort gelernt in Bezug auf die Arbeitswelt in der Kulturbranche und zum Thema Work Life Balance?
Ich bin froh, zu der bestimmten Zeit, und in der besonderen Lebensphase in New York gewesen zu sein, in der ich dort war. Ich war 24, als ich zunächst für ein 6‑monatiges Praktikum hingegangen bin. Ich habe New York in einer großen Freiheit erleben dürfen und dort lernen können. Sehr geliebt habe ich die Energie, die man auf den Straßen der Stadt spürt. Genauso im Job: Die Menschen gehen einfach mit einem besonderen Drive an die Sache. Man will etwas erreichen. Dieses Umfeld habe ich dort extrem genossen. Die Leute wissen zu schätzen, was sie haben. Es wird weniger gejammert und es wird nicht behäbig geplant. Man kommt viel schneller in die Umsetzung, ist risikofreudiger und probiert auch mal etwas aus. Andererseits habe ich dort auch das deutsche Sozialsystem sehr zu schätzen gelernt. Dass hier keiner mit der Wimper zuckt, wenn Dein Kind krank ist, zum Beispiel. In den USA ist man viel schneller in einer sehr prekären Lage.
Es hat eben alles zwei Seiten: In den USA wirst Du schneller entlassen, kriegst aber auch eher eine Chance. Als junge Frau erhältst Du einen Job, weil eben keiner davon ausgeht, dass Du demnächst zwei oder drei Jahre in Elternzeit gehst.
Machen aus Deiner Sicht Frauen und Männer anders Karriere?
Ja, wir Frauen reden weniger über unsere Erfolge. Es ist noch immer ungewohnter, unser (weibliches) Netzwerk zu unterstützen – etwa bei Anstellungen, weil wir uns fragen, ob es fair ist. Ich glaube, es sind andere Denkweisen, die sich durchaus in beruflichen Situationen bemerkbar machen. Da können wir Frauen ganz viel dazu lernen. Neulich habe ich einen Artikel darüber gelesen, dass bei Männern mehr Resilienz da sei, um mit Ablehnung zurechtzukommen. Das kann ich für den Fundraisingbereich nicht unterschreiben: Da ist es ja gerade unser tägliches Brot, mit Ablehnung zu leben, und trotzdem immer wieder aufzustehen und weiter zu machen. Sensibler an Dinge Herangehen, was viele Frauen auszeichnet, empfinde ich persönlich als besondere Stärke.
Ich denke aber, wir haben noch einen sehr weiten Weg vor uns bis zu einer wirklichen Gleichberechtigung. Man sieht es ja gerade an der Situation jetzt in der Pandemie, dass doch die meiste Arbeit an den Müttern „hängen“ bleibt, wie verschiedene Studien belegen. Wobei ich gerade gestern erfreulich viele Männer mitten am Tag mit Kinderwagen im Prenzlauer Berg hier in Berlin gesehen habe. Da hat sich auf jeden Fall schon etwas getan.
Gibt es etwas, was Du jungen Frauen auf den Weg geben möchtest, die eine Karriere im Kulturmanagement anstreben?
Was ich nach fast 20 Jahren Berufserfahrung sagen kann: Netzwerken ist sehr wichtig! Ich will das aber nicht zu strategisch sehen. Man hat ja Kontakt mit den Leuten, weil man sie schätzt und es interessant ist, ihren Werdegang mit zu verfolgen. Ich empfinde es jetzt als riesigen Vorteil, dass ich mittlerweile ein recht großes Netzwerk habe und nun bei bestimmten Problemen kurz überlege, wer mir dabei weiterhelfen könnte. Und dann greife ich einfach zum Hörer.
Außerdem sollte man flexibel bleiben, denn Dinge entwickeln sich oft anders als erwartet. Und man sollte die Chancen sehen, die sich ergeben, wenn eine Tür vielleicht zugeht, eine andere sich aber dafür öffnet. Eine andere Einstellung zum Scheitern zu entwickeln, ist auch sehr hilfreich: Vieles kann man als Lernprozess und Erfahrungsschatz bewerten. Resilienz ist ein wichtiges Stichwort.
Wie gehst Du im Job mit Konflikten um? Was ist Dein Ansatz?
Die Perspektive des Anderen einzunehmen: Das versuche ich gerade, mir noch mehr anzueignen. Ich dachte, ich könne das ziemlich gut, habe aber dann gemerkt, dass ich das doch nur bis zu einem gewissen Punkt beherrsche. Auch zu wissen, dass ein Konflikt nicht das Ende einer guten Beziehung bedeuten muss: Ich hatte vor nicht allzu langer Zeit eine schwierige berufliche Situation, in der ich mir nicht vorstellen konnte, dass mein Gegenüber und ich da gut rauskommen. Ich war völlig überrascht, wie wir das nicht nur geschafft haben, sondern es unsere kollegiale Beziehung noch verbesserte. Wir waren danach offener und ehrlicher miteinander, irgendwie reifer.
Auch Lesen, Podcasts, Seminare eignen sich hervorragend, um sich wichtige Skills anzueignen zu Themen wie wertschätzender Kommunikation, Verhandeln oder dazu, wie man konstruktiv Kritik übt. Damit tue ich mich immer schwer; ich möchte eigentlich immer alles gut finden. In Konfliktsituationen hilft durchaus das zunehmende Alter und schlichtweg mehr Lebenserfahrung.
Welche Fähigkeiten benötigt man für das Fundraising?
Am Wichtigsten ist das Zuhören und unbedingt auch das zwischen den Zeilen Lesen. Eine gewisse Kreativität halte ich ebenfalls für sehr wichtig in unserem Job, genau wie Fleiß. Spannend finde ich das Spannungsfeld zwischen Detail UND big picture; man muss beides gleichermaßen im Blick haben. Ebenso sind oftmals gegensätzliche Skills gefragt: In der einen Rolle vertrete ich vielleicht die Organisation und fühle mich für die Gäste verantwortlich, trete also extrovertierter, souveräner auf, während ich in anderen Situationen mehr aus dem Hintergrund agiere. Die größeren Zusammenhänge zu kennen und die Fäden zusammenzuhalten, finde ich einen der spannendsten Aufgaben in meinem Beruf. Ich glaube, gute Fundraiser*innen sind oft sehr sensible Menschen, eben weil es so wichtig ist, ein gutes Gespür für Menschen und Situationen zu haben. Das passt wiederum nicht so gut zu der „dicken Haut“, die man sich unbedingt auch zulegen muss. Man denke alleine an die vielen Absagen, die man im Laufe eines solchen Berufslebens so wegsteckt …
Wusstest Du mit 20 Jahren, wo Du mit 30 oder 40 Jahren sein wolltest?
Mir war es nicht klar, aber es gab für mich ein Schlüsselmoment. Das war damals direkt nach dem Abi in London. Ich habe quasi den ganzen Tag im British Museum verbracht und eine Führung für junge Leute beobachtet. Da dachte ich mir: „Wow, das ist es. Junge Menschen für kulturelle Themen begeistern. So anschaulich und spannend, wie diese Kunstvermittlerin“. Ich hatte aber damals keine Idee, wie man „dahin“ kommt in diesen Kulturbereich; vermutlich gerade weil ich mich nicht auf die eine Disziplin festlegen wollte. Ich kannte auch diese Studiengänge wie zum Bespiel Kulturmanagement noch nicht. Ich hätte zu Beginn meines Berufseinstiegs jedenfalls nie gedacht, dass ich irgendwann in einem der schönsten Museen in Deutschland arbeiten würde und eine tolle Kampagne mitgestalten darf, um einen neuen Museumsflügel zu finanzieren. Ich sah mich auch nie – typisch weiblich – in einer Führungsposition. Da hat mein Mann viel früher mein Potential für mich gesehen als ich selbst.
Ich empfinde es als nicht so wichtig bzw. eigentlich eher als unmöglich, mit 20 oder 30 zu wissen, was kommt. Es ist viel spannender, nicht alles planen zu können, und auch mal etwas auszuprobieren. Wichtig ist, das Ziel zu kennen: Wenn mein Traumjob im Kulturbereich ist, dann arbeite ich darauf hin, bleibe aber flexibel auf dem Weg. Woher soll ich denn heute wissen, welche Türen für mich in der Zukunft aufgehen werden? Die grobe Richtung zu kennen, und auch nach links und rechts zu schauen, ist meines Erachtens viel wichtiger.
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